FDP-Chef Guido Westerwelle wird zur Aufgabe seines Amtes gedrängt, doch Nachfolger stehen nicht bereit. Lindner und Rösler zögern.

Berlin. Wenn Guido Westerwelle am Sonntag nach Berlin zurückkehrt, wird die FDP eine andere sein. Im 7365 Kilometer entfernten Peking ist er in diplomatischer Mission unterwegs. Westerwelle eröffnet eine Kunstausstellung, trinkt Tee mit Ministerpräsident Wen Jiabao. Pflichtprogramm. Als Außenminister kennt er so etwas. Es gibt schöne Bilder, und dann geht es weiter. Es ist eine Aufgabe, die viele Gelegenheiten bietet, gut auszusehen.

Trotzdem, einfach ist diese Reise nicht. Denn zu Hause, im fernen Deutschland, ist ein Machtkampf entbrannt, der ihn sein Parteiamt kosten könnte. Der FDP-Landesverband in Baden-Württemberg, dem Stammland der Liberalen, stellt Westerwelles Amt als Vorsitzender offen zur Disposition. Seine einstige Vertraute, Landeschefin Birgit Homburger, rückt von ihm ab. Die Namen von Nachfolgern kursieren. Bereits am Montag, heißt es aus der Partei, könnte es eine Entscheidung geben. Westerwelle, so wird spekuliert, könnte den Parteivorsitz aufgeben, um das Außenamt zu retten.

Wie es heißt, hat Guido Westerwelle kaum noch eine andere Wahl. Er, der Ehrgeizige, der Überengagierte. Er hat es geschafft, dass die FDP bei der Bundestagswahl 2009 einen Rekordwert erzielte. Auch in tiefste Täler hat er die Liberalen geführt. Die bundesweiten Umfragewerte von drei Prozent aus dem vergangenen Winter stecken der Partei noch in den Knochen. Und jetzt die verpatzten Landtagswahlen. Wieder einmal wird es eng für Guido Westerwelle. So eng wie noch nie zuvor.

Während sich bisher die führenden Köpfe hinter ihn stellten und Rücktrittsforderungen vor allem von enttäuschten Landespolitikern kamen, sind es jetzt einflussreiche Stimmen, die gegen ihn sprechen. Zum Beispiel die von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die sagt, keiner solle auf seinem Posten kleben. Oder von Homburger, die bei den Landtagswahlen vor einer Woche im Südwesten mit 5,3 Prozent selbst eine schwere Schlappe einstecken musste. "Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen, sowohl inhaltlich wie personell", sagt sie nun. Ihren Landesverband weiß Homburger hinter sich. Die Südwest-Liberalen haben Gewicht in der Machtarithmetik der Bundes-FDP. Homburger, die als austauschbar gilt, geht aufs Ganze.

Auch wenn viele in der Partei davon ausgehen, dass Westerwelle nicht mehr zu halten sein wird, ist noch offen, wer sein Nachfolger sein könnte. Als größte Nachwuchshoffnung gilt Generalsekretär Christian Lindner, doch ist er erst 32 Jahre alt. Es wäre eine Mammutaufgabe für ihn, die in Trümmern liegende Partei wieder aufzupäppeln. Scheitert er, wäre auch seine Karriere vorbei. Ein weiterer aussichtsreicher Kandidat ist Gesundheitsminister Philipp Rösler. In seinem Regierungsamt lässt sich kaum etwas gewinnen, oft hagelt es Kritik. Nach der Wahl 2009 wäre er lieber Wirtschaftsminister geworden. Rösler hat immer wieder gesagt, mit 45 Jahren wolle er nicht mehr in der Politik arbeiten, was mehr sein könnte als Koketterie. 45 wird Rösler im Februar 2018. Spekulationen, nach denen sich einige FDP-Landesverbände am Freitag auf ihn als Westerwelle-Nachfolger verständigt hätten, wurden aus dem Umfeld des Gesundheitsministers zurückgewiesen. Rösler und Lindner halten sich in der Personaldebatte zurück.

Erst seit wenigen Tagen im Spiel ist der Name Leutheusser-Schnarrenberger. Ihr Landesverband in Bayern war es, der sie für den Chefposten ins Spiel gebracht hatte. Die 59-jährige streitbare Liberale könnte die Partei führen, bis Lindner so weit wäre. Doch Leutheusser-Schnarrenberger, die dem Bürgerrechtsflügel angehört, gilt in der Partei nicht als mehrheitsfähig. Eine Weile schien es so, als könnte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle Übergangsvorsitzender werden. Doch seit herauskam, dass er die Wende der schwarz-gelben Bundesregierung in der Atompolitik vor Industrievertretern als Wahlkampfmanöver entlarvte, liegen seine Chancen bei null. Wie das Abendblatt aus Parteikreisen erfuhr, soll Brüderle bereit sein, sein Amt als stellvertretender Bundesvorsitzender zur Verfügung zu stellen, um seinen Ministerposten zu retten.

In Hochspannung blicken die Liberalen also auf den Montag. Fest steht nur eins: Alles ist möglich. Sogar dass Westerwelle sein Amt doch noch behält. Ein enger Vertrauter des Parteichefs deutete an, dass Westerwelle bereit sei, zu kämpfen.