Kurt Beck kann trotz großer Verluste sein Amt wohl verteidigen. Die Grünen werden ihm das Regieren in Mainz dagegen nicht einfach machen.

Mainz. Der Jubel bei der Wahlparty der Grünen im "Haus der Jugend" in Mainz will fast kein Ende nehmen. Ihre Spitzenkandidatin Eveline Lemke kann sich kaum Gehör verschaffen. "Das ist ein Rekordergebnis, das ist grandios", ruft sie ihren Parteifreunden zu. "Das fühlt sich unglaublich an. Riesig." Nicht nur, dass die Grünen wieder den Sprung ins Landesparlament von Rheinland-Pfalz geschafft haben. Sie haben ihren Stimmenanteil auf rund 15 Prozent verdreifacht. Theoretisch können sie sich aussuchen, ob sie mit der SPD von Ministerpräsident Kurt Beck regieren oder mit der CDU von dessen Herausforderin Julia Klöckner.

Weil die Linken es wieder nicht ins Parlament geschafft haben und die FDP ihr Ergebnis von 2006 halbiert hat und mit nur noch vier Prozent aus dem Landtag flog, sind die Grünen jetzt die Königsmacher. Für Kurt Beck, den bisherigen Alleinherrscher im Land, der in den vergangenen fünf Jahren ganz ohne Koalitionspartner regieren konnte, wird es nun ungemütlich. Eine Demütigung für Beck ist dieser Wahlausgang schon jetzt. Fast zehn Punkte verlor seine SPD gegenüber der letzten Landtagswahl. Nur ein hauchdünner Vorsprung trennt sie von der CDU.

Beck wird nun um die Grünen werben. Noch am Wahlabend kündigte er Koalitionsgespräche an. Das Wahlergebnis sei von der Furcht der Menschen vor der Atomkraft dominiert worden, sagte er. "Das hat den Grünen zum Vorteil gereicht. Darauf muss man jetzt eingehen." Durch eine Koalition mit der CDU hingegen würden sich die Grünen unglaubwürdig machen. "Dadurch würde alles konterkariert, was ihnen einen Stimmenzuwachs gebracht hat", warnte Beck. Die kräftigen Verluste der SPD hätten mit seiner Person wenig zu tun: "Ich glaube nicht, dass die Menschen sagen wollten, der Beck soll es nicht mehr sein." Er trete erneut für volle fünf Jahre an. Allerdings: CDU-Kandidatin Klöckner hatte gerade bei den Sympathiewerten deutlich zum Amtsinhaber Beck aufgeholt.

Für die machtverwöhnte SPD werden es schwierige Koalitionsgespräche, schwieriger als die Gespräche, die Beck in den Jahren 1996 und 2001 mit den - erheblich schwächeren - Liberalen erfolgreich geführt hatte. Die Grünen hatten der SPD im Wahlkampf mehrfach Selbstherrlichkeit vorgeworfen und ihre Skandale und Skandälchen thematisiert. Vor allem in der Verkehrspolitik wird sich zwischen beiden Parteien ein Graben auftun. Die grünen Spitzenleute kündigten zwar an, auch mit der CDU zu reden, "aber die größeren Schnittmengen gibt es mit der SPD".

Mit selbstbewussten Grünen umzugehen, damit hat Beck keine Erfahrung, obwohl er der am längsten amtierende aller 16 Ministerpräsidenten ist. Immerhin, und das wird ihn trösten, ist es ihm gut eineinhalb Jahre nach der Niederlage seiner SPD bei der Bundestagswahl gelungen, die Machtbastion Mainz zu verteidigen.

Vorschnell aber wird der 62-jährige Beck sein Amt auf keinen Fall abgeben. Seine Pflicht nicht zu erfüllen, das wäre ihm ein Gräuel. Die plötzlichen Rücktritte seiner CDU-Amtskollegen Roland Koch und Ole von Beust hat er mit Abscheu in der Stimme verurteilt. "Was soll ich auf Sylt?", antwortete er neulich - in Anspielung auf von Beust - auf die Frage, ob er nicht frühzeitig in Rente gehen wolle. Dennoch wird Beck die ersten Weichen für seine Nachfolge stellen. Justizminister Heinz Georg Bamberger und Innenminister Karl Peter Bruch werden der neuen Landesregierung wohl nicht mehr angehören. Nachfolger des Innenministers dürfte dessen Staatssekretär Roger Lewentz werden, ein eloquenter 48-jähriger Stratege, der schon jetzt enger Vertrauter von Beck ist und als einer seiner Kronprinzen gilt. Er führt den Parteirat der Landes-SPD und hat vielfältige politische Erfahrung gesammelt. Ein weiterer potenzieller Nachfolger ist Wirtschaftsminister Hendrik Hering, und als Kronprinzessin gilt Bildungsministerin Doris Ahnen.

Für die CDU hat Julia Klöckner die Wahl zwar nicht gewonnen, aber das wurde auch nicht von ihr erwartet, weder von der Landes-CDU noch von der Berliner Zentrale. Sie sollte ein achtbares Ergebnis erzielen. Ihre Mission hat sie mehr als ordentlich erfüllt. Kaum jemand hätte erwartet, dass sie am Ende des Wahltags Kurt Beck auf Augenhöhe begegnet. Ein grandioser Erfolg für die ehemalige Weinkönigin.

Es muss Klöckner in Anbetracht ihres Ergebnisses nun noch mehr schmerzen, dass ihr von Anfang an die Koalitionsoptionen fehlten. Mit der schwachen FDP konnte sie nie rechnen, die Grünen waren nie interessiert, obwohl Klöckner das schwarz-grüne Bündnis nie ausgeschlossen hatte.

Julia Klöckner hat mit 38 Jahren ihre politische Zukunft noch vor sich. Sie hat es geschafft, einen über Jahre sich selbst desavouierenden Landesverband hinter sich zu bringen und sich im Wahlkampf Respekt zu erkämpfen. Bildung vor allem hatte sie zu ihrem Thema gemacht, das hat durchaus verfangen - bis zur Japan-Katastrophe. Natürlich musste auch sie zuletzt immer öfter die Atompolitik der Bundesregierung erklären und sich daran messen lassen. Der Verweis, dass in ihrem Bundesland gar kein Reaktor steht, half da wenig weiter.

Punkte gemacht hat sie vor allem im direkten Duell mit Kurt Beck. Nach dem Aufeinandertreffen der beiden im Fernsehen stiegen ihre Werte. Und am Ende ist sie zufrieden mit dem Abschneiden ihrer Partei: "Wir haben ein wunderbares Ergebnis erreicht als CDU Rheinland-Pfalz."