Böhmer, Beck und Seehofer wollen den Hartz-IV-Streit beenden: Eine Einigung scheint erstmals in der kommenden Woche möglich zu sein.

Berlin. Die B-Mannschaft hat übernommen. Also Kurt Beck, der Ministerpräsident aus Rheinland-Pfalz und Wolfgang Böhmer, sein Kollege aus Sachsen-Anhalt. Im Hartz-Streit wollen die beiden Länderchefs von SPD und CDU jetzt eine schnelle Einigung der bislang unversöhnlichen Lager herstellen. Seit Wochen schon stehen sich Union und FDP auf der einen Seite und die Opposition aus SPD und Grünen auf der anderen Seite gegenüber - ohne eine gemeinsame Reform der Hartz-IV-Gesetze verabschiedet zu haben.

Gemeinsam mit Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU) haben sie in einem informellen Treffen einen Korridor für die weiteren Gespräche abgesteckt. "Wir haben eine gute Grundlage geschaffen, um zügig zu einer Lösung zu kommen", sagte Kurt Beck gestern Abend in Berlin. Alle drei Länderchefs sprachen von einem konstruktiven und zielgerichteten Gespräch. Nach den Worten Böhmers wurden "alle Knackpunkte" angesprochen, allerdings noch keine Beschlüsse gefasst. Seehofer sagte, es seien nun "finanziell verantwortbare Korridore" für eine einvernehmliche Lösung geschaffen. Über Details sei aber Stillschweigen vereinbart worden. "Die Verhandlungen in der Vergangenheit litten daran, dass zu viel öffentlich und zu wenig intern geredet wurde", stellte Beck klar.

Vonseiten der SPD hieß es, es stehe weiterhin die volle Bandbreite an offenen Fragen vom Regelsatz über den Mindestlohn bis hin zum Bildungspaket für Kinder auf der Tagesordnung. Aus Unionskreisen hieß es dagegen, es solle um kleinere Korrekturen der bisherigen Regierungsvorlagen gehen, zum Beispiel um zusätzliche Zahlungen für Sonderbedarfe wie die Beschaffung teurer Küchengeräte durch Leistungsempfänger. Auch bei Details zum kostenfreien Mittagessen in Schulhorten gab es offenbar noch Klärungsbedarf.

In großer Runde sollen die Verhandlungen morgen fortgesetzt werden - dann auch mit Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig. Beck und Böhmer hatten das Ruder übernommen, um ein Scheitern der Gesetzesvorlage, die keine Mehrheit im Bundesrat gefunden hätte, zu verhindern. Dass der Rahmen jetzt ohne die Fraktionen abgesteckt wird, hat zu Irritationen geführt. In Union und FDP wurde von Verärgerung darüber gesprochen, dass die Fraktionsexperten nicht von Anfang an dabei sind. Heinrich Kolb, FDP-Verhandlungsführer und sozialpolitischer Sprecher seiner Partei, sagte dem Abendblatt: "Alles, was zur Kompromissfindung beiträgt, ist zu begrüßen." Man müsse jedoch im Auge behalten, dass es jetzt nicht nur darum gehe, eine Mehrheit im Bundesrat zu bekommen, sondern auch darum, die Mehrheit im Bundestag zu erhalten. Der CSU-Sozialexperte Max Straubinger sagte der "Passauer Neuen Presse", es könne nicht sein, dass "die Ministerpräsidenten sich zusammentun und Leistungen zulasten des Bundes beschließen".

Auch Kolb warnte, eine Kompromissfindung auf Kosten Dritter stoße an finanzielle Grenzen. Als Ziel für eine Einigung wird das Ende kommender Woche angestrebt. "Eine Einigung bis zur nächsten Woche ist möglich, wenn die Regierung Kompromissbereitschaft mitbringt und ihre Blockade aufgibt", sagte der Verhandlungsführer der Grünen, Fritz Kuhn, dem Abendblatt. Grüne und SPD seien immer verhandlungs- und kompromissbereit gewesen.

In jedem Fall wird es eine Auszahlung der um fünf Euro höheren Hartz-IV-Regelsätze nicht mehr zum 1. März geben. Die Bundesagentur für Arbeit bräuchte bis zum morgigen Donnerstag eine entsprechende Anweisung, um die Zahlung technisch umsetzen zu können. Einige Kommunen und Städte, darunter Hamburg, haben im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Regelsätze bereits erhöht - in der Hansestadt für rund 29 000 Menschen, die aufgrund von Alter oder Krankheit als arbeitsunfähig gelten. Die FDP prüft derzeit, ob eine Auszahlung auch vor einem regulären Gesetz an alle der rund 4,7 Millionen deutschen Hartz-IV-Empfänger möglich ist. "Wir prüfen jetzt, ob eine Auszahlung des höheren Regelsatzes erfolgen kann", bestätigte Kolb. "Eine Regelung auf einer verfassungsfesten Basis wäre im Interesse der Menschen." Eigentlich hätte nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Erhöhung durch die Hartz-Reform bereits zum 1. Januar anstehen sollen.