Der Deutsche Städtetag sieht auch für 2011 keine Erholung der Finanzen. Höchste Verschuldung seit Bestehen der Bundesrepublik.

Hamburg/Berlin. Die Hoffnung auf eine gute Nachricht nahm Petra Roth gleich am Anfang. "2010 war ein schwarzes Jahr für die Kommunen. Sie sind so tief in die roten Zahlen gerutscht wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik", sagte die Präsidentin des Deutschen Städtetags. Fast zehn Millionen Defizit. Was das für die Menschen in Deutschland bedeutet, fügte Frankfurts Oberbürgermeisterin (CDU) bei der Vorstellung der aktuellen Finanzlage der Städte und Kommunen in Berlin gleich hinzu: marode Straßen, heruntergekommene Sportanlagen, geschlossene Stadtbäder, weniger Personal und steigende Gebühren, beispielsweise für Kitas oder Bücherhallen. "Die Sparmaßnahmen verschärfen sich", kündigte auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, an. Für 2011 sei keine Erholung für die Haushalte der Städte in Sicht. Im vergangenen Jahr habe der Konjunkturboom den Absturz der Kommunen auf einen finanziellen Tiefpunkt nicht aufhalten können.

Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben sei 2010 auf ein Rekorddefizit von voraussichtlich 9,8 Milliarden Euro gestiegen, so Articus. Im laufenden Jahr werde ein Minus von 9,6 Milliarden Euro erwartet. Vor allem die wachsenden Sozialausgaben sind die schwerste Hypothek der Kommunen. Sie stiegen 2010 um zwei Milliarden auf mehr als 42,2 Milliarden Euro. 2011 werde ein Plus auf 43,1 Milliarden Euro erwartet. Die kurzfristigen Kassenkredite - zur Deckung laufender Kosten - beliefen sich mittlerweile auf 40,5 Milliarden Euro. Doppelt so viel wie im Jahr 2004.

Um die Kommunen vor dem Zusammenbruch zu retten, müssten jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden, sagte Roth mit Blick auf die Hartz-IV-Verhandlungen sowie die von der schwarz-gelben Koalition angestrebte Reform der Gemeindefinanzen. Die Zusage des Bundes, die Grundsicherung im Alter zu übernehmen, sei eine "Einleitung zur Rettungsaktion" für die Kommunen. Die Grundsicherung erhalten ältere Menschen, deren Renten unter dem Existenzminimum liegen.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bekräftigte: "An vorderster Stelle muss eine Entlastung der Kommunen von den Kosten der Grundsicherung im Alter stehen." Dies bringe den Kommunen vier Milliarden Euro jährlich. "Diese Entlastung muss in jedem Fall kommen und nicht etwa als Tauschgeschäft zu irgendwelchen Veränderungen bei der Gewerbesteuer", sagte Dobrindt dem Hamburger Abendblatt - und drohte: "Wir werden keine Reform der Kommunalfinanzen mitmachen, die gegen den Willen der kommunalen Spitzenverbände wäre."

Der Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler in Hamburg forderte die stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten für Sozialleistungen. "Es kann nicht sein, dass Berlin neue Gesetze erlässt - und die Länder und Kommunen bleiben dann auf den Kosten sitzen", sagte Marcel Schweitzer dem Abendblatt. Andererseits gebe es viele Beispiele für Projekte, die man sich sparen kann. "Steuern müssen also nicht notwendigerweise sofort erhöht werden, nur weil die Kommunen über klamme Kassen klagen", so Schweitzer.

Ob der Bund jedoch weitere Kosten bei der Grundsicherung übernimmt und die Kommunen somit entlastet, ließ das Finanzministerium in Berlin offen. "Es sind jetzt zunächst die Ergebnisse bei den Hartz-IV-Verhandlungen abzuwarten", sagte der parlamentarische Staatssekretär, Hartmut Koschyk, dem Abendblatt. In der Gemeindefinanzkommission werde erst dann weiter über ein Gesamtpaket von Maßnahmen bezüglich der Einnahmen und Ausgaben gesprochen.

Erneut warnte der Städtetag gestern vor einer Abschaffung oder Abstrichen an der Gewerbesteuer als wichtigste eigene Einnahmequelle der Kommunen. Sie werde sich 2011 voraussichtlich ähnlich gut entwickeln wie 2010. Das Aufkommen werde aber um 2,8 Milliarden Euro unter den 41 Milliarden vom Vorkrisenjahr 2008 bleiben. "Die erfreulichen Zuwächse der Gewerbesteuer belegen, was wir immer gesagt haben: Die Gewerbesteuer ist eine gute Steuer und erholt sich auch nach einer einschneidenden Krise schnell."

Anders als in den Kommunen der Metropolregion sanken die Steuereinnahmen in Hamburg nach Angaben des Steuerzahlerbundes vor allem während der Finanzkrise nicht so stark wie zunächst erwartet. Im Vergleich zum Jahr 2007 (1,89 Milliarden Euro) war der Einbruch der Gemeindesteuern im Krisenjahr 2009 (1,82 Milliarden) für Hamburg gering. Deshalb mussten laut Schweitzer auch nicht so hohe neue Schulden zum Ausgleich des Defizits aufgenommen werden.