Was von der Leyen und Schwesig nicht in Monaten schaffen, wollen Beck und Co. binnen Tagen erledigen. Einige Jobcenter zahlen bereits 364 Euro.

Berlin. Das Altherren-Trio mit Wolfgang Böhmer (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Kurt Beck (SPD) macht jetzt Dampf: Die Ministerpräsidenten aus Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Bayern sind entschlossen, den Konflikt um die Hartz-Reform bis Ende nächster Woche endgültig beizulegen. Die Weichen dafür wollten die Regierungschefs noch am Dienstag stellen – ohne Beteiligung von Bundespolitikern. Die Hartz-IV-Empfänger können dennoch kaum hoffen, dass der erhöhte Regelsatz noch im März auf ihrem Konto landet. Die bisherigen Verhandlungsführerinnen, Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Vize Manuela Schwesig, wurden entgegen ersten Überlegungen dazu nicht eingeladen.

Beck hat derweil auch der FDP vorgeworfen, im Streit über die Hartz-IV-Reform eine Blockadehaltung einzunehmen. Die Liberalen seien nicht zu einem Kompromiss bereit, sagte Beck auf einer Betriebsräte- und Gewerkschaftskonferenz der SPD in Mannheim. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe nicht die Stärke gehabt, sich der FDP in dieser Frage entgegenzustellen. Die Leidtragenden seien die Ärmsten der Armen.

Die Bundespolitiker von Union und FDP reagierten verärgert auf das Vorgehen der Ministerpräsidenten. „Die Fraktionen akzeptieren keine Vorfestlegung, weil es um das Geld des Bundes geht“, wurde in Fraktionskreisen gewarnt. Je stärker die Länderseite eine eigene „Bundesratsfront“ aufbaue, desto schwieriger werde eine Einigung. Auf Initiative von Beck und Böhmer hatten sich alle 16 Länder am letzten Freitag im Bundesrat dafür ausgesprochen, erneut den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Zunächst sollte ein eng begrenzter Themenkorridor für die weiteren Verhandlungen festgelegt werden. Darüber soll an diesem Freitag eine erweiterte Verhandlungsgruppe unter Mitwirkung von Parteien und Fraktionen beraten. Ziel sei eine endgültige Verständigung bis etwa Mitte kommender Woche, verlautete aus Verhandlungskreisen. Der Vermittlungsausschuss soll dem Ergebnis nach diesem Fahrplan dann ohne längere Debatten zustimmen. Auf einer Sondersitzung des Bundesrats am 25. Februar könnte die Neuregelung endgültig unter Dach und Fach gebracht werden.

Die Koalition strebt bisher eine Anhebung des Regelsatzes um 5 auf 364 Euro an. Ein Sprecher von der Leyens nannte es „sehr unwahrscheinlich“, dass sich die Neuregelung noch im März auf dem Konto der rund 4,7 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfänger auswirkt. Für eine rasche Auszahlung müsste eine Entscheidung der Politik bis Donnerstag fallen. Damit bleibt auch offen, wann das Bildungspaket für rund 2,5 Millionen bedürftige Kinder kommt. Fest steht aber, dass die Regelsatzerhöhung rückwirkend zum 1. Januar bezahlt wird.

Die SPD-Führung pochte erneut darauf, bei den Verhandlungen über Mindestlöhne und Leiharbeit zu sprechen. „Wir wollen dafür sorgen, dass die Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Es gehe nicht an, dass es Beschäftigte gebe, die auf Hartz IV angewiesen seien.

Im Land Bremen erhält ein großer Teil der Hartz-IV-Empfänger bereits jetzt den um fünf Euro erhöhten Regelsatz von 364 Euro. Das Plus bekommen aber nur die dauerhaft Erwerbsunfähigen, die früher Sozialhilfeempfänger gewesen seien, sagte ein Sprecher des Sozialressorts auf dapd-Anfrage. Die zusätzlichen fünf Euro werden seit Januar an 12.500 Hilfsbedürftige in Bremen und 4900 in Bremerhaven ausgezahlt. Die übrigen Hartz-IV-Empfänger, die ihr Geld nicht direkt von der Kommune, sondern vom Jobcenter der Arbeitsagentur erhalten, bekommen das zusätzliche Geld nicht. Auf die Auszahlung habe die Stadt keinen Einfluss, sagte der Sprecher.

Neben dem Land Bremen geben auch die Landkreise Ostvorpommern in Mecklenburg-Vorpommern und Nordfriesland in Schleswig-Holstein die unter Vorbehalt geltenden Bescheide aus. Eine gesetzliche Grundlage für die Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 364 Euro im Monat gibt es noch nicht.