Alle Parteien wollen im Vermittlungsausschuss schnell einen Kompromiss finden. FDP und SPD für sofortige Auszahlung höherer Sätze.

Berlin. Angesichts langwieriger Verhandlungen über die Hartz-IV-Reform hat sich die FDP eine Forderung der Opposition zu eigen gemacht und dringt auf eine rasche Auszahlung der von Schwarz-Gelb beschlossenen höheren Regelsätze. Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) wies die Forderung zurück. Die SPD lobte die Liberalen für den Vorstoß. Alle Parteien zeigten sich derweil entschlossen, möglichst bald im Vermittlungsausschuss einen Kompromiss zu finden.

In einer ersten siebenwöchigen Verhandlungsrunde der Vermittler von Bundestag und Bundesrat hatten sich die Vertreter der schwarz-gelben Koalition und der Opposition nicht auf eine Neuregelung verständigen können. Im Bundesrat war das Gesetzespaket, das fünf Euro mehr Hartz IV und ein Bildungspaket für arme Kinder vorsieht, im Dezember am Widerstand von SPD, Grünen und Linke gescheitert.

Der Gesetzgeber muss aber zu einer Lösung kommen: Denn die Neuregelung hat das Bundesverfassungsgericht angeordnet, weil die geltenden Regelsätze verfassungswidrig sind. Nach dem Scheitern der ersten Vermittlungsrunde griff am Freitag der Bundesrat ein und setzte die Fortsetzung der Gespräche durch. Die neuen Sätze sollen nach einer Einigung rückwirkend zum 1. Januar eingeführt werden.

FDP macht Druck

Vizekanzler Guido Westerwelle warb nun dafür, den Langzeitarbeitslosen die monatlich 364 Euro schon jetzt auszuzahlen und nicht erst die neue Runde im Vermittlungsverfahren abzuwarten. Der FDP-Chef sagte der „Südwest-Presse“: „Wenn die Opposition mehr bei den Regelsätzen will, dann sollten die objektiv errechneten fünf Euro zunächst beschlossen werden, damit sie bei den Betroffenen ankommen.“

FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger argumentierte im „Spiegel“: „Die Verhandlungstaktik der SPD darf nicht zulasten der Bedürftigen gehen.“ Sie verwies dabei auf ein Gutachten des Stuttgarter Verfassungsrechtlers Christofer Lenz, das sie in Auftrag gegeben hat. Darin heiße es, die Exekutive könne bereits jetzt die Erhöhung zahlen. „Frau von der Leyen muss jetzt prüfen, wie die Mittel so schnell wie möglich ausgezahlt werden können“, forderte Homburger. „Das Geld ist im Haushalt eingestellt. Damit gibt es eine gesetzliche Grundlage.“

Ministerium sagt Nein

Ein Sprecher von der Leyens widersprach. „Die Haltung der Bundesregierung ist unverändert“, entgegnete er am Sonnabend. „Ohne eine ausreichende rechtliche Grundlage können höhere Regelsätze nicht ausgezahlt werden.“ Nicht nur das Sozialgesetzbuch verlange dafür ein eigenes Gesetz. Auch das Verfassungsgericht habe den Fall in seinem Urteil bereits ausdrücklich berücksichtigt, argumentierte er. Wenn sich das Gesetz verspäte, müsse demnach der höhere Regelsatz rückwirkend gezahlt werden.

Die SPD lobte den FDP-Vorstoß derweil als „ersten Schritt zur Vernunft“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte: „Ich begrüße, dass Guido Westerwelle endlich die Blockade gegen die Auszahlung der erhöhten Regelsätze aufgibt.“ Von der Leyen müsse jetzt schnell die erhöhte Auszahlung in die Wege leiten, verlangte er. „Mit gutem Willen können die erhöhten Regelsätze schon zum 1. März 2011 vorläufig ausgezahlt werden.“

Merkel fordert „Runde der Vernunft“

Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte mit Blick auf die neuen Verhandlungen eine „Runde der Vernunft“ an. Auf einem Landesparteitag der Berliner CDU verteidigte sie am Samstag zugleich den zwischenzeitlichen Abbruch der Verhandlungen zur Reform als „absolut nötiges Stoppschild“. Denn gerade die SPD habe eine immer größere Wunschliste aufgestellt, „als hätten wir ein Füllhorn, aus dem wir schöpfen können, um diese und jene Leistung zu gewähren“, kritisierte Merkel.

Jetzt könne sich die SPD in Ruhe fragen, was sie eigentlich alles fordere, sagte Merkel. Natürlich wolle der Bund den Kommunen „endlich wieder ein Stück Freiheit geben“, damit diese bei sich ordentliche Jugendarbeit machten – aber mit den Forderungen der SPD sei niemandem geholfen.

Merkel betonte, sie selbst sei sehr dafür, dass alles für eine bessere Bildung von Kindern aus Hartz-IV-Familien getan werde. Das gelte auch für deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Ebenso stehe sie zur Finanzierung über Sachleistungen. Der Regelsatz dafür müsse aber so bleiben wie vorgeschlagen. Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe „richtig gerechnet“, sagte Merkel. Die SPD habe aber bislang überhaupt nicht gesagt, was sich ändern soll.

Das Bundesverfassungsgericht hatte vor einem Jahr die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene und Kinder als verfassungswidrig gerügt. Deshalb war zum Jahresende 2010 eine Neuregelung im Bundestag beraten worden, die jedoch im Bundesrat gestoppt wurde.

Im Januar hatte ein Vermittlungsausschuss die Arbeit aufgenommen. Zur Wochenmitte waren die Verhandlungen aber gescheitert. Am Freitag hatten sich die Länder im Bundesrat darauf verständigt, ein weiteres Vermittlungsverfahren zu beantragen.