Der Kreis Nordfriesland zahlt bereits fünf Euro mehr Regelsatz aus. Die SPD macht einen Hartz-Vorstoß in letzter Sekunde. Rettet das die Reform?

Berlin. Wird die Abstimmung im Bundesrat über die Reform von Hartz IV in letzter Sekunde gestoppt? Hinter den Kulissen wird offenbar weiter verhandelt, ob es doch noch eine Einigung geben kann zwischen der schwarz-gelben Bundesregierung und den Verhandlungsführern der Opposition aus SPD und Grünen. Kurios: Der Kreis Nordfriesland zahlt ungeachtet des Konflikts um die Hartz-IV-Regelsätze schon seit Beginn dieses Jahres den von der Bundesregierung geplanten Zuschlag von fünf Euro. Das berichtet das „Flensburger Tageblatt“. Im Interesse der Betroffenen solle dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts so zeitnah wie möglich Rechnung getragen werden, sagte der beim Kreis zuständige Fachdienstleiter Axel Scholz. Das Schleswiger Landessozialgericht bestätigte, dass der Kreis Nordfriesland das zusätzliche Geld bereits an Langzeitarbeitslose auszahlt.

Als sogenannte Optionskommune hatte Nordfriesland bereits im November beschlossen, beim Regelsatz draufzulegen. In den übrigen 14 Kreisen und kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins, in denen Arbeitsagenturen die Hartz-IV-Bezieher betreuen, zeichnet sich nach dem Bericht des „Flensburger Tageblatts“ dagegen kein ähnliches Vorgehen ab. Im Kieler Sozialministerium hieß es, das Vorgehen in Nordfriesland sei nicht grundsätzlich rechtswidrig. Das Gesetz gebe den Kreisen die Möglichkeit, über die Erbringung einer Geldleistung vorläufig zu entscheiden, wenn der Sachverhalt Gegenstand eines höchstrichterlichen Verfahrens sei.

Angesichts des drohenden Scheiterns der Hartz-IV-Reform im Bundesrat will die SPD offenbar einen weiteren und letzten Versuch für eine Einigung unternehmen. Nach Informationen des Berliner „Tagesspiegel“ aus SPD-Parteikreisen wird der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) vor der Bundesratssitzung an diesem Freitag erneut den Vermittlungsausschuss anrufen. Die SPD-Führung rechne mit einer Zustimmung. Damit könnte eine Abstimmung im Bundesrat vermieden werden. Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ will die Union den Vorstoß von Beck unterstützen. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), sei in Kontakt mit seinem rheinland-pfälzischen Amtskollegen gewesen, schreibt das Blatt.

Maßgeblich für den neuen Versuch sei auch das Interesse vieler Bundesländer, die von der Koalition in Aussicht gestellten vier Milliarden Euro Unterstützung für die Kommunen und das Bildungspaket zu erhalten. Diese Chance biete sich nur einmal, hieß es.

Zuvor hatte sich nach der Ablehnung der Grünen im Saarland zu einem Ja der Reform im Bundesrat eine Niederlage für die schwarz-gelbe Koalition in der Länderkammer abgezeichnet. Die Haltung des von einer schwarz-gelb-grünen Koalition regierten Saarlandes hätte bei der Abstimmung den Ausschlag geben können. Schwarz-Gelb fehlt im Bundesrat eine einzige Stimme zur Mehrheit. „Die Bundesregierung kennt die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat und weiß, dass mit einer Zustimmung nicht zu rechnen ist“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag der dpa. Die von einer Großen Koalition regierten Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie das rot-grün regierte Bremen kündigten an, der Hartz-Reform nicht zuzustimmen, zum Teil aus Gründen der Koalitionsräson. (dpa/rtr)