Die Länderkammer verschiebt die Abstimmung über die Hartz-IV-Reform. Die Beratungen könnten noch mehrere Wochen dauern.

Berlin. Die rund 4,7 Millionen Hartz-IV-Empfänger in Deutschland schweben weiter im Ungewissen. Der Bundesrat hat die Entscheidung über eine Gesetzesreform verschoben und sie erneut an den Vermittlungsausschuss übersandt. In den vergangenen sieben Wochen war das Gremium aus Bund und Ländern zu keiner Einigung gekommen. Jetzt soll die Kompromisssuche wieder aufgenommen werden.

"Es ist vollkommen richtig, dass der Vermittlungsausschuss jetzt erneut zusammenkommt und das Scheitern der Reform im Bundesrat abgewandt wurde", sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil dem Hamburger Abendblatt. "Jetzt kommt es darauf an, dass sich alle Beteiligten bemühen, zu einer guten Lösung zu kommen." Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich zuversichtlich: "Die ganze Sache ist nun wieder dort, wo sie hingehört", sagte sie der "Allgemeinen Zeitung Mainz". Merkel betonte ihre Hoffnung, "dass wir in nicht allzu langer Zeit ein Ergebnis bekommen".

Eigentlich sollte am Freitag erst der Bundestag und dann der Bundesrat über die Hartz-IV-Reform entscheiden. Doch während in der namentlichen Abstimmung des Bundestags 313 Abgeordnete für und 252 gegen die Vorschläge votierten, fiel das Finale in der Länderkammer aus. Das hatte in der Nacht zuvor der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) mit seinem Amtskollegen aus Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), vereinbart. "Wir können es nicht vor die Wand fahren lassen. Es geht um Menschen und nicht um Taktik", sagte Beck. Böhmer sagte: "Manche Menschen vergessen, dass im Bundesrat die Länder die Regie führen."

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte den Gesetzentwurf nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der Opposition dennoch zur Abstimmung gestellt. Mit einem Milliardenpaket für die Kommunen sollten die Ministerpräsidenten zuvor milde gestimmt werden. Denn der Regierungskoalition fehlte eine Stimme zur Mehrheit - und einige Länder wie etwa das schwarz-gelb-grün regierte Saarland galten zunächst als Wackelkandidaten. Dass es jetzt nicht zur Abstimmung gekommen ist, dürfte von der Leyen jedoch vor einer Niederlage bewahrt haben: Alle Regierungschefs hatten angekündigt, ihre bisherige Haltung beizubehalten, mit der bereits im Dezember das Reformvorhaben blockiert wurde. Vorgesehen waren eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes von 359 auf 364 Euro sowie ein Bildungspaket für Kinder. SPD und Grüne hatten jedoch Nachbesserungen verlangt und zudem einen gesetzlichen Mindestlohn in die Forderungen mit einbezogen. "Wir haben schon viele Fortschritte erreicht, aber es stockt auf den letzten Metern", sagte Heil. "Bei Mindestlohn und Regelsatz gab es noch nicht die entscheidende Bewegung."

Jetzt sollen die Beratungen also weitergehen - und zwar auf einer möglichst sachlichen Ebene, wie im Bundesrat vereinbart wurde, statt wie bisher im Dauerstreit. Völlig offen ist jedoch noch, welche Seite tatsächlich auf die andere zugehen wird. "Am Ende werden wir alle noch weiter Kompromisse machen müssen, um zu einer Einigung zu kommen", sagte Heil. Auch weiterhin werde es um die drei strittigen Punkte - Regelsätze, Bildungspaket und Mindestlohn - gehen. Auch Kurt Beck betonte: "Es ist alles auf dem Tisch, was auch bisher auf dem Tisch lag." Die SPD hat sich die Zusage der Regierung gesichert, dass man nicht hinter bisherige Zugeständnisse zurückfallen werde. Bei dem härtesten Verhandlungsthema, den Regelsätzen, könnten die Differenzen jetzt mit einer Einigung über die "spezifischen Bedarfslagen" von Hartz-IV-Empfängern überbrückt werden. So könnten Ausgaben etwa für den öffentlichen Nahverkehr oder einen Kühlschrank mehr als bislang vorgesehen erstattet werden.

Eine Einigung wird jetzt für die nächste Sitzung des Bundesrates am 18. März angestrebt. Es könne jedoch bereits vorher eine Sondersitzung geben, wenn der Vermittlungsausschuss zu einem Ergebnis kommt, sagte Heil. "Aber es kann auch sein, dass die Beratungen noch einige Wochen dauern." In jedem Fall werde ein Gesetz schnell in Kraft treten, "wenn sich die Verhandlungspartner einig sind".