Kiels FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki kritisiert mal wieder Guido Westerwelle. Dabei wollen die Liberalen jetzt gerade nichts als Ruhe.

Berlin/Kiel. Der Kieler Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki und Vize-Ministerpräsident Heiner Garg hatten erneut für Unruhe gesorgt. Die Kritik an Parteichef Guido Westerwelle schlug hohe Wellen und stößt offenbar auf Zustimmung in der Nord-FDP. „In der Fraktion gab es breite Zustimmung“, sagte ein Sprecher am Montag. Kubicki und Garg fordern angesichts des FDP-Umfragetiefs einen Kurswechsel und eine offene Debatte über das Führungspersonal. „Überwiegend zelebrierte sich Guido Westerwelle als Außenminister, als ginge ihn der zunehmende Ansehensverlust der FDP nichts an“, heißt es unter der Überschrift „Die Krise der Liberalen“ in einem der dpa vorliegenden Papier. Es sei zum Jahreswechsel entstanden und folglich keine Reaktion auf das Dreikönigstreffen (6. Januar), betonte der Sprecher.

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Eigentlich sollte ja Ruhe einkehren. Die lähmenden Personaldebatten vorbei sein, genauso das parteiinterne Gezänk. Das Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart am 6. Januar sollte einen Endpunkt markieren. Und Guido Westerwelles mit hohen Erwartungen verbundene Rede einen Strich ziehen unter die Querelen, die die FDP in den vergangenen Wochen und Monaten erschüttert hat. Doch daraus dürfte vorerst nichts werden.

Denn der Mann, der die Debatte Anfang Dezember losgetreten hatte, hat wieder Öl ins Feuer gegossen: Schleswig-Holsteins Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Gemeinsam mit Heiner Garg, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten des Landes, übt er in einem Streitpapier erneut massive Kritik an seinem Parteichef. Radikal und schonungslos. So, wie man es von Kubicki schon diverse Male erlebt hat.

Westerwelle, so steht es also in der sechsseitigen Kampfschrift, die die "Welt am Sonntag" gestern veröffentlichte, habe sich überwiegend als Außenminister zelebriert, "als ginge ihn der zunehmende Ansehensverlust der FDP nichts an". Nichts habe Westerwelle dazu beigetragen, den Koalitionspartner in seine Schranken zu weisen. "Die FDP ist von der CDU/CSU öffentlich wegen der Steuerpolitik der Partei vorgeführt worden - und dies geschieht bis heute -, ohne dass der Vorsitzende kraftvoll und entschieden reagierte", beschweren sich Kubicki und Garg. Die Führung der Partei hätte den Ernst der Lage nicht erkannt. "Der erfolgreiche Wahlkämpfer Guido Westerwelle hat übersehen, dass es in der Regierung keinen Immunschutz gegen politische Niederträchtigkeiten gibt." Der Alleingang der Kanzlerin bei der Schaffung des Euro-Rettungsschirms in einer Koalition, in der die FDP auch noch den Außenminister stelle, sei eigentlich undenkbar. "Wir stehen vor einem Scherbenhaufen nicht nur unserer Politikvermittlung, sondern unserer Politik schlechthin", so die beiden Kieler.

In der FDP brodelt es also wieder. Vielleicht hat es auch nur nie aufgehört zu brodeln. Auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart hatte Guido Westerwelle sämtliche Forderungen nach inhaltlicher und personeller Neuausrichtung ignoriert. Und auch bei seinem gestrigen Auftritt beim Neujahrsempfang der niedersächsischen FDP in Hannover nahm er keinen direkten Bezug auf die Lage der FDP, die nach einer aktuellen Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" auf fünf Prozent stagniert. Und genau das stört Kubicki. "Nur eine offene Diskussion entspricht liberaler politischer Tradition", stellt er in seinem Strategiepapier klar.

Doch anders als vor einem Monat, als Kubickis Aussage, der Zustand seiner Partei erinnere ihn an "die Spätphase der DDR", zahlreiche weitere Parteifreunde zu noch mehr Kritik veranlasste, hält sich die Partei jetzt zurück. Zu tief sitzt noch der Schreck über das Drei-Prozent-Umfrageergebnis, mit dem die Liberalen nach der letzten Debatte abgestraft wurden. Die neue Diskussion soll offenbar so klein wie möglich gehalten werden. Auch Solidaritätsbekundungen bekam Westerwelle vorerst nicht. Vielleicht liegt das auch daran, dass man sich an Kubickis Nörgelattacken in gewisser Weise schon gewöhnt hat. Radikale Kritik aus dem Mund des 58-jährigen Kielers ist jedenfalls nichts Neues.

Mit Guido Westerwelle, so wird es kolportiert, verbindet Kubicki so etwas wie eine herzliche Antipathie. Schon im Frühling des letzten Jahres hatte der Kieler laut über mögliche Nachfolger des Parteichefs nachgedacht. Und vor Jahren gab es einen medialen Schlagabtausch mit FDP-Kollegin Cornelia Pieper, die er ebenfalls offen zum Rücktritt von ihrem damaligen Amt als Generalsekretärin aufgefordert hatte. Kubicki gilt als Selbstdarsteller, als Unruhestifter. Als einer, der nun mal laut ausspricht, was er denkt. Er tut das allerdings nur von Kiel aus. Zwar saß er bereits zweimal im Bundestag, hat aber keinerlei Ambitionen mehr auf eine Karriere in Berlin. "Quartalsspinner", so hatte ihn CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt im März genannt.

Allerdings: Das aktuelle Strategiepapier von Kubicki und Garg geht über bloßes Gemecker hinaus. Beide machen konkrete Vorschläge, wie die FDP wieder fit werden soll. Wichtigster Vorschlag: Das Entwicklungshilfeministerium sollte - wie im Wahlkampf versprochen - abgeschafft und dem Außenamt zugeteilt werden. Dass die Liberalen damit auf einen Ministerposten verzichten müssten, wäre "ein Ausweis von Konsequenz". Über mögliche Personalrochaden wollen die Führungsspitzen der Bundespartei allerdings erst am 11. April beraten - nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 27. März. Bis dahin bemüht sich die FDP um Ruhe und Geschlossenheit. Keine leichte Aufgabe, wie Kubickis Wortmeldung zeigt.