Bayerns Innenminister lehnt Löschen als Wunschdenken ab. Justizministerin protestiert vehement - Internetsperren seien der falsche Ansatz.

Hamburg. In der schwarz-gelben Regierungskoalition bahnt sich neuer Streit bei der Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet an. Die CSU dringt darauf, das Sperren solcher Inhalte wieder zu ermöglichen. "Im Kampf gegen so abscheuliche Straftaten wie Kinderpornografie müssen wir alle Möglichkeiten nutzen", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dem Hamburger Abendblatt. "Meine Devise lautet daher nicht: Löschen oder Sperren, sie lautet vielmehr Löschen und Sperren."

Vor zwei Jahren hatte sich die Große Koalition darauf verständigt, kinderpornografische Seiten im Internet zu blockieren. Nutzer, die gesperrte Inhalte aufrufen, sollten auf eine Seite mit einem Stoppzeichen geleitet werden. Nach dem Regierungswechsel 2009 vollzog Schwarz-Gelb einen Kurswechsel und setzte das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz der einstigen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) aus. Das Bundeskriminalamt erhielt den Auftrag, die Seiten bei den Internetprovidern zu löschen. Nach einem Jahr sollte das Ergebnis der Bemühungen bewertet werden.

Löschen sei "vielfach reines Wunschdenken", kritisierte Herrmann. Kinderpornografie finde sich vor allem auf Servern im Ausland, wo ein deutsches Löschersuchen schwer durchsetzbar sei. "Dann bleibt uns nur noch die Sperre." Löschen verhindere auch nicht, dass der Inhalt auf einem anderem Server wieder angeboten werden kann, fügte der Minister hinzu. "Auch deswegen brauchen wir neben dem Löschen leicht durchsetzbare Internetsperren, um den ungehinderten Zugang zu solchen Seiten zu unterbinden."

Ähnlich heißt es in einem Positionspapier der CSU-Landesgruppe für die Klausurtagung in Wildbad Kreuth, das dem Abendblatt vorliegt: "Bekannt gewordene kinderpornografische Inhalte müssen auch in Zukunft unverzüglich gelöscht, und, wenn dies nicht möglich ist, durch entsprechende Sperren unerreichbar werden." Die von der Koalition beschlossene Evaluierung des Zugangserschwerungsgesetzes müsse schnell abgeschlossen werden.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wies die Forderung der CSU entschieden zurück. "Internetsperren bleiben der falsche Ansatz. Virtuelle Stoppschilder sind gefährlich, weil sie uns in einer Scheinsicherheit wiegen", sagte sie dem Abendblatt. "Wer nicht stoppen will, kommt ohne Aufwand an dem Stoppschild vorbei. Die Sperrhinweise drohen sogar zum Wegweiser für Pädophile zu werden." Die Ministerin betonte: "Der Schmutz muss raus aus dem Netz. Darum gilt für uns der Grundsatz: Löschen statt Stoppschilder." Die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Bundeskriminalamt und Beschwerdestellen zeige bereits erste Erfolge. "Wenn wir uns auf das Löschen konzentrieren, erreichen wir viel mehr als mit dem Placeboeffekt leicht zu umgehender Sperren."

Im Oktober und November sei bei Internetseiten aus den USA eine Woche nach der ersten Meldung nur noch rund jede zehnte Seite verfügbar gewesen, alle anderen seien erfolgreich gelöscht worden, berichtete Leutheusser-Schnarrenberger. In den Vormonaten sei noch mehr als ein Drittel der Seiten, in einzelnen Monaten sogar mehr als die Hälfte der Seiten abrufbar gewesen. Unter Sicherheitsexperten ist umstritten, wie wirkungsvoll die von Union und FDP favorisierten Methoden tatsächlich sind.

Die Justizministerin wandte sich auch gegen die Forderung der CSU-Landesgruppe nach höheren Mindeststrafen bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen. In dem Positinspapier spricht sich die Landesgruppe dafür aus, alle derartigen Fälle als Verbrechen einzustufen: "Die hiermit verbundene Erhöhung des Mindeststrafmaßes auf ein Jahr dient dabei nicht nur der Abschreckung von potenziellen Tätern, sondern würde auch den hohen Schutz, den die körperliche Unversehrtheit von Kindern in Deutschland genießt, unterstreichen."

Bisher unterscheidet das Strafgesetzbuch zwischen der Schwere des Missbrauchs. Unsittliches Berühren durch die Kleider können Richter beispielsweise auch nur als Vergehen aburteilen. In diesem Fall beträgt die Mindeststrafe sechs Monate, das Strafmaß kann aber je nach Tat höher ausfallen.

Eine gesetzliche Strafschärfung sei "reine Symbolpolitik", kritisierte Leutheusser-Schnarrenberger. Auf schweren sexuellen Missbrauch stünden bereits Mindeststrafen von einem, zwei oder fünf Jahren. Hinzu komme, dass bei weniger schweren Missbrauchsformen ein "opferschonender Strafbefehl" erlassen werde, bei dem auf Aussagen vor Gericht verzichtet werden könne. Die Forderung der CSU bedeute dagegen, dass ein Opfer in der Hauptverhandlung "noch einmal mit dem schrecklichen Missbrauch konfrontiert" werde.

Die FDP-Ministerin verwies darauf, dass der von ihr mit ins Leben gerufene runde Tisch erste konkrete Schritte zur Aufarbeitung sexueller Missbrauchsfälle beschlossen habe. "Den Gesetzentwurf zur Stärkung der Opferrechte bereiten wir gerade vor." Unter anderem sollten dabei die zivilrechtlichen Verjährungsfristen von drei auf 30 Jahre verlängert werden.