Entwicklungsminister Dirk Niebel im Abendblatt-Interview über die Misere der FDP, die Zukunft des Parteivorsitzenden und seine eigenen Ambitionen.

Hamburg. Er war Westerwelle s Generalsekretär - jetzt gilt er als einer von mehreren möglichen Nachfolgern. Im Abendblatt-Interview sagt der gebürtige Hamburger Dirk Niebel, welche Bedeutung er der Bürgerschaftswahl in der Hansestadt beimisst und was er vom traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart erwartet.

Hamburger Abendblatt: Herr Minister, die FDP ist in Umfragen auf drei Prozent abgestürzt. Hat Vorstandsmitglied Kubicki doch recht - und die Liberalen fallen in sich zusammen wie die DDR?

Dirk Niebel: Nein, natürlich nicht. Herr Kubicki begleicht jahrzehntealte Rechnungen. Was er sagt, nutzt dem politischen Gegner. Natürlich freuen uns die Umfragewerte nicht. Aber das Einzige, was dagegen hilft, ist gutes Regierungshandeln.

Wie erklären Sie sich den Niedergang der FDP?

Niebel: Es ist eine schwierige Situation, kein Niedergang. Bis zu den Wahlen sind es noch Monate. Da kann viel passieren. Und wenn wir etwas wirklich gut können, dann ist es Wahlkampf.

Wie lange kann ein Parteichef bei anhaltender Erfolglosigkeit im Amt bleiben?

Niebel: Guido Westerwelle hat die FDP aus einer Phase in den Neunzigerjahren herausgebracht, in der sie an Wahlabenden im Fernsehen unter "Sonstige" geführt wurde. Er hat die FDP neu aufgestellt und bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr das beste Ergebnis der Parteigeschichte geholt. Wahlergebnisse jetzt mit Umfragewerten aufzuwiegen ist schon ziemlich dreist.

Kann die FDP mit Westerwelle im Superwahljahr bestehen?

Niebel: Wir können nur bestehen, wenn wir zusammenhalten. Wir müssen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten und uns untereinander auch Erfolge gönnen. Das möchte ich im Übrigen auch der Union zurufen. Eine Koalitionsregierung kann nur funktionieren, wenn jeder Partner seine Erfolge bekommt. Da gibt es einiges nachzusteuern.

Wie müssen die sieben Landtagswahlen ausgehen, damit Westerwelle gestärkt ist?

Niebel: Das ist ein netter Versuch, aber ich spiele das Spiel nicht mit. Hamburg wird ein guter Auftakt ins Wahljahr. Ich bin sicher, dass die FDP von ihrer Haltung zur Schulreform profitiert und in die Bürgerschaft kommt. Auch in den anderen Ländern werden wir gut abschneiden.

Die Hamburger FDP will keine Westerwelle-Plakate kleben ...

Niebel: Guido Westerwelle kandidiert nicht für die Hamburgische Bürgerschaft.

Kein Grund, die Nummer eins zu verstecken.

Niebel: Wenn Guido Westerwelle im Hamburger Wahlkampf auftritt, wird die FDP auch mit seinem Plakat dafür werben. Da bin ich ganz sicher.

Verfügt die FDP über Führungsreserve?

Niebel: Wir haben eine hervorragende Führungsreserve in den jüngeren Altersgruppen. Ich denke allerdings, dass wir denen noch etwas Zeit geben sollten, um ihre Fähigkeiten zu veredeln.

Wirtschaftsminister Brüderle zählen Sie nicht zur Führungsreserve?

Niebel: Brüderle ist Führung. Er ist stellvertretender Parteivorsitzender. Entsprechend groß ist seine Verantwortung.

Der "Spiegel" spekuliert über einen Mister X, der bereit sein könnte, beim Parteitag gegen Westerwelle anzutreten. Jemanden, der ungefähr so alt sei wie der amtierende Parteichef. Uns fällt da nur Dirk Niebel ein ...

Niebel: Das können Sie vergessen.

Stehen Sie zur Verfügung, wenn die Partei Sie ruft?

Niebel: Ich bin kein Mister X. Ich habe in keinen kleineren oder größeren Gruppen irgendetwas besprochen. Und ich werde für kein Geld der Welt gegen meinen Vorsitzenden antreten. Im Gegenteil: Ich stütze Guido Westerwelle, damit er möglichst lange FDP-Vorsitzender bleibt.

Christian Lindner will 2012 ein neues Parteiprogramm vorlegen. Hat es so lange Zei t?

Niebel: Das entspricht genau dem Fahrplan, den ich 2009 als Generalsekretär angestoßen habe. Wir wollen ein Grundsatzprogramm und keinen Schnellschuss.

Das Dreikönigstreffen steht bevor. Was erwarten Sie von Westerwelle?

Niebel: Von der Kundgebung erwarte ich ein Aufbruchsignal, das weit über Stuttgart hinaus in der Republik sichtbar sein wird. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Guido Westerwelle eine mitreißende Rede halten wird.