Schäuble, Beck und Stoiber wurden weggeputscht. Für FDP-Chef Westerwelle war einst ein Hamburger Hotel an der Alster der Ort für seinen Aufstand.

Berlin/Hamburg. Es gibt in der deutschen Politik viele Möglichkeiten, wie man seinen Vorsitzenden loswerden kann. FDP-Chef Guido Westerwelle kennt sie alle. Zum Beispiel die: Junger Generalsekretär droht dem angeschlagenen Parteivorsitzenden mal mehr, mal weniger offen mit Gegenkandidatur. Irgendwann gibt sich der Ältere zermürbt geschlagen. So geschehen vor beinahe genau zehn Jahren im Hamburger Hotel „Atlantic“ bei der FDP. Der Verlierer hieß Wolfgang Gerhardt, der Sieger Westerwelle.

Jetzt, da der FDP-Vorsitzende selbst um seinen Posten kämpfen muss, erinnern sich viele bei den Liberalen an jene Tage zurück. Die Erledigung des eigenen Spitzenmannes ist allerdings keine Besonderheit der FDP. In 61 Jahren bundesdeutscher Geschichte gab es solche Fälle schon häufig. Und manchmal waren es dramatische Momente.

Besonders die Sozialdemokraten können ein Lied davon singen. Seit dem Abgang der Parteilegende Willy Brandt 1987 hat die SPD nicht weniger als zehn Vorsitzende verbraucht. Darunter waren einige spektakuläre Abgänge – wie Rudolf Scharping, der 1995 bei einem Parteitag in Mannheim weggeputscht wurde oder Kurt Beck, der 2008 eine Klausurtagung am Schwielowsee bei Berlin nicht überstand.

Bei der CDU ging es mit sieben Vorsitzenden seit 1949 dagegen verhältnismäßig konstant zu. Was nicht heißt: weniger brutal. Wolfgang Schäuble stürzte 2001 über eine 100.000-Mark-Spende. Im Rückblick sprach er davon, dass er einer „Intrige mit kriminellen Elementen“ zum Opfer gefallen sei. Ziel sei seine „Vernichtung“ gewesen. Das Verhältnis zum einstigen Förderer Helmut Kohl ist spätestens seit jener Zeit zerrüttet.

Die Spendenaffäre kostet Kohl ebenfalls einen Posten, wenn auch nur den Ehrenvorsitz der CDU. Politisch wurde der Altkanzler durch einen Artikel erledigt, den die damalige Generalsekretärin Angela Merkel kurz vor Weihnachten 1999 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlichte und in dem sie sich von Kohl distanzierte.

Auch die kleinere Schwesterpartei CSU demonstrierte bei mehreren Gelegenheiten, dass es in der Politik auf frühere Verdienste nicht ankommt. So wurde der langjährige Parteichef und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber im Januar 2007 bei einer Klausur in Wildbad Kreuth ohne größere Skrupel weggedrängt.

Anders bei Grünen und Linkspartei: Die Grünen – gegründet als Anti-Personen-Partei, bei der die Basis die Macht hat – verschliss in den 30 Jahren ihres Bestehens Vorstandssprecher im Dutzend. Auf einzelne kam es dabei nicht so an. Die noch relativ junge Linke trennte sich erst in diesem Jahr friedlich von ihren beiden Gründervätern Oskar Lafontaine und Lothar Bisky als Parteichefs. Wenn es aber zum Sturz kommt, gehen dem in der Regel wochen- und monatelange Debatten voraus. Die Umfragen sind nicht mehr wie früher, irgendwie ist man des Chefs überdrüssig, oft kommen dann noch persönliche Fehler hinzu. In der Endphase wird per Interview offen gestichelt. In Hintergrundgesprächen lassen die Parteikollegen große Zweifel erkennen, ob der Chef dem Job noch gewachsen ist.

Einer der Sprüche, die man bei solchen Gelegenheiten gesagt bekommt: „Die Friedhöfe sind voll von Leuten, die sich für unersetzlich hielten.“ Zu den Klassikern der Politsprache gehört in diesen Zeiten aber auch: „Ich liebe den Verrat, aber ich hasse den Verräter.“ Deshalb dauert es in der Regel, bis Unzufriedenheit in offene Rebellion umschlägt. Der Satz stammt übrigens von Cäsar – was beweist, dass Königsmord keineswegs eine Besonderheit der deutschen Politik ist.

Ohnehin gilt, dass Macht in der Politik immer nur Macht auf Zeit ist. Auch Westerwelle ist sich dessen bewusst. Wie er angesichts der anhaltenden Spekulationen über seinen Abschied von der FDP-Spitze nun manchmal zu sagen pflegt: „Das Schlimme ist: Eines Tages werden die Leute recht behalten." (dpa)