Im Hauruck-Verfahren: Scheitert das Gesetz zur Hartz-IV-Reform im Bundesrat, tagt sofort der Vermittlungsausschuss.

Berlin. Auf einmal geht alles ganz schnell. Falls der Bundesrat heute - wie von allen Parteien erwartet - die umstrittene Hartz-IV-Reform von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) blockiert, wird wohl noch am Nachmittag der Vermittlungsausschuss einberufen. Schon am Anschluss an die Bundesratssitzung sollen die Mitglieder erstmalig zusammenkommen. Kommt dieses Treffen nicht zustande, sei alternativ eine Runde am Montagnachmittag geplant, sagte der Ausschussvorsitzende Thomas Strobl (CDU). Schon bei der ersten Beratung des Vermittlungsausschusses soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, um nach Lösungen zu suchen. "Alle Beteiligten wollen das Thema zügig zum Abschluss bringen", betonte Strobl. Auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Johannes Vogel, sagte dem Abendblatt: "Wir wollen zum ersten Januar Rechtssicherheit für die Menschen schaffen. Deshalb muss man jetzt so schnell wie möglich einen Kompromiss finden. Und zwar je schneller, desto besser."

Zwar ist die Sitzung heute die letzte des Bundesrats in diesem Jahr - jedoch beginnt sie mit einer Premiere: Zum ersten Mal wird die schwarz-gelbe Regierung keine Mehrheit in der Länderkammer haben. Seit das von einer schwarz-gelb-grünen Jamaika-Koalition geführte Saarland zu Beginn der Woche ankündigte, sich bei der Abstimmung enthalten zu wollen, steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Hartz-IV-Änderungen keine Mehrheit finden werden.

Die SPD-geführten Länder sind ohnehin dagegen. Der Bundesrat hat 69 Sitze - 35 Abgeordnete müssten also für den Entwurf stimmen. Schwarz-Gelb kommt jedoch auf nur 34 Stimmen. Das Saarland mit seinen drei Sitzen wäre das Zünglein an der Waage gewesen. Dementsprechend ist man bei der Bundesregierung auf das Scheitern der Reform eingestellt.

Die Arbeitsgruppe, die der Vermittlungsausschuss noch heute ins Leben rufen soll, wird sich auch zwischen Weihnachten und Neujahr mit den Hartz-Reformen befassen. Bislang sehen die Vorschläge von Arbeitsministerin von der Leyen eine Erhöhung der Beiträge von derzeit 359 auf 364 Euro vor sowie ein Bildungspaket, nach dem 740 Millionen Euro unter anderem für Schulmittagessen, Musikunterricht oder Vereinsmitgliedschaften ausgegeben werden.

Die Opposition hat diese Pläne von Anfang an kritisiert. Während Grüne und Linke eine weitreichendere Erhöhung der Sätze fordern, bemängelt die SPD vor allem das Bildungspaket. Statt der von Ursula von der Leyen vorgeschlagenen Gutscheine soll es nach Ansicht der Sozialdemokraten mehr Geld für Ganztagsschulen oder ein kostenloses Mittagessen geben. Außerdem will die SPD eine teilweise Neuberechnung der Regelsätze erreichen. Nach Ansicht von SPD-Vize Manuela Schwesig müssen Hartz-IV-Empfänger zudem unabhängig vom Stand des Gesetzgebungsverfahrens vom neuen Jahr an fünf Euro mehr bekommen. "Ich erwarte, dass Ministerin von der Leyen das, was sie geplant und angekündigt hat, ab dem 1. Januar auch auszahlt", sagte sie der "Frankfurter Rundschau".

Nicht nur in diesem Punkt scheinen die Fronten verhärtet. Von der Leyen ist der Ansicht, dass ohne Gesetz die Anhebung nicht ausgezahlt werden könne. Auch bei der Höhe der Regelsätze sieht FDP-Arbeitsmarktexperte Vogel kaum Chancen für einen Kompromiss. "Die Sozialdemokraten haben keinen Beleg für ihre Zweifel an der Berechnung der Sätze vorgelegt", so Vogel. Außerdem hätte die SPD bislang keine konkreten Ansagen gemacht, was sie eigentlich will. Bewegung könnte es vor allem beim Bildungspaket geben. "Die Koalition ist immer offen, was die Bildung angeht", bestätigt Vogel. Die Regierung habe bereits die Förderung auch auf Kinder aus Geringverdienerfamilien ausgeweitet. Den Vorschlag von Ganztagsschulen oder einem kostenlosen Mittagessen nannte FDP-Politiker Vogel mit Blick auf die Länderkompetenzen jedoch hinfällig. "Das ist keine Angelegenheit des Bundes."

Die Regierung hofft auf eine Einigung noch in diesem Jahr. Dass die Reform jedoch zum Jahreswechsel in Kraft tritt, ist so gut wie ausgeschlossen. Selbst wenn der Vermittlungsausschuss bis Weihnachten zu einem Ergebnis kommt, müssen Bundestag und Bundesrat dem Gesetz zustimmen. Regulär tagt die Länderkammer das nächste Mal am elften Februar.

Andere Entscheidungen dürften dem Bundesrat heute deutlich leichter gelingen. Dazu gehören die Finanzreform der gesetzlichen Krankenkassen, die Neuordnung des Arzneimittelmarktes und die bis zuletzt umstrittene Neuordnung der Sicherheitsverwahrung. Alle drei Gesetze werden voraussichtlich von der Länderkammer gebilligt werden.