CSU-Chef Seehofer mahnt die eigene Partei zu mehr Gerechtigkeit. Der DGB lehnt die Rente mit 67 rundweg ab. Die Debatte wird immer heftiger.

München/Hamburg. Zwei Jahre länger arbeiten oder mehr in die Rentenkasse zahlen? Die Debatte um die Rente mit 67 hat zwei Tage vor dem Statusbericht der Bundesregierung an Fahrt aufgenommen. Angesichts der Massenproteste auf den Straßen ist das nicht verwunderlich. CSU-Chef Horst Seehofer ist gespalten. Er hat allerdings die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zurückgewiesen, statt der geplanten Verlängerung der Lebensarbeitszeit die Rentenbeiträge anzuheben. Seehofer bekräftigte jedoch zugleich, die Zustimmung zur Rente mit 67 geschehe „unter der Voraussetzung, dass die Beschäftigung der Älteren signifikant verbessert wird“ .

Seehofer fügte hinzu: „Der Anteil der Arbeitslosen über 50 ist gestiegen.“ Die Union müsse auch auf Solidarität gegenüber jenen Bevölkerungsgruppen achten, die trotz des Aufschwungs der Wirtschaft Schwierigkeiten haben. Seehofer kündigte an, dies werde er auch am Dienstag bei seiner Rede auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe sagen. Er mahnte: „Die Union muss mit beiden Lungenflügeln atmen – mit einer starken Wirtschaft und einer sozialen Verantwortung.“ Dann werde sie auch die Unterstützung der Bevölkerung bekommen.

Horst Seehofer forderte außerdem eine „ gerechte“ Lösung bei der von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) angekündigten Reform der Pflegeversicherung . Seehofer sagte, die schwarz-gelbe Koalition habe zwar vereinbart, die Pflegeversicherung auf stabilere Grundlagen zu stellen. Dies müsse aber „sehr behutsam„ geschehen. Seehofer fügte hinzu, die Bürger wollten „Gerechtigkeit“.

Der DGB hatte vorgeschlagen, die Rente mit 67 auszusetzen und den Rentenbeitrag zu erhöhen. Zusammen käme auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Beitragserhöhung von 0,6 Prozentpunkten zu. „Das wäre keine Zumutung“, sagte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer der „Passauer Neuen Presse“. Immer mehr Menschen würden nach seinen Worten durch die Rente mit 67 von Altersarmut bedroht. Wegen der vielen arbeitslosen Älteren sei sie sogar illegal. Sommer: „Sie jetzt einzuführen, wäre gesetzeswidrig. Sie ist ausdrücklich an eine positive Entwicklung der Beschäftigung Älterer gebunden.“ Nicht das Renteneintrittsalter müsse deshalb angehoben werden, sondern die Rentenbeiträge. „Die Rente mit 67 muss auf Eis gelegt werden“, forderte der DGB-Chef.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach Rente sieht in der Rente mit 67 „de facto eine Rentenkürzung“. Ältere profitierten deutlich weniger als andere von der Konjunkturerholung. „Rund 900.000 Arbeitslose über 55, davon 300.000 für länger als zwei Jahre, das sind immer noch dramatische Zahlen“, sagte sie der „Frankfurter Rundschau“.

Die Zahl der arbeitslos Gemeldeten zwischen 60 und 64 Jahren ist nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) zwischen Oktober 2007 und Oktober 2010 von 34.500 auf 145.500 gestiegen. Allerdings waren 2007 rund 400.000 Personen über 58 in einer Vorruhestandsregelung und bekamen Arbeitslosengeld bis zur Rente, ohne in der Statistik aufzutauchen. Diese 58er-Regelung gibt es nicht mehr. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagt daher, nicht die Zahl der arbeitslosen Älteren sei gestiegen, sondern die Statistik sei nur ehrlicher.

Sommer bezweifelt dies: „Hier macht die Bundesregierung Politik nach dem Motto: Glaube keiner Statistik – es sei denn, Du hast sie selbst gefälscht“, sagte er. „Wenn sich die Zahl der älteren Arbeitslosen vervierfacht, darf man das nicht wie Frau von der Leyen als statistischen Effekt verharmlosen.“ Die Ministerin solle „aufhören, die Statistik schönzureden“. Bei der nächsten Wahl würden Union und FDP von den Wählern „die Quittung für ihre verfehlte Rentenpolitik erhalten“.