Schäuble leidet an Entzündungen und einer nicht heilenden Wunde. Erst Mitte Mai hatte er die Amtsgeschäfte wieder aufgenommen.

Berlin. Schon sein letzter öffentlicher Auftritt weckte Sorgen. Blass, sehr grau und mit eingefallenen Wangen saß Wolfgang Schäuble am Dienstag zwischen seinen Kabinettskollegen bei der Vorstellung des schwarz-gelben Energiekonzeptes . Der Finanzminister ergriff auf der Pressekonferenz kaum das Wort. Nur wenig später wurde bekannt: Schäuble muss erneut in die Klinik – wahrscheinlich für vier Wochen.

Die Nachricht überraschte auch enge Weggefährten. Schließlich stritt der CDU-Kassenwart noch am Vortag in Brüssel mit seinen europäischen Amtskollegen über schärfere Sanktionen gegen notorische Defizitsünder. In Koalitions- und Parteikreisen hatte daher niemand damit gerechnet, dass der 68-Jährige schon wieder stationär behandelt werden muss.

Schäuble nahm am Nachmittag extra die Mühe auf sich, um in der Unionsfraktion seine Lage zu schildern. Nach Rücksprache mit seinen Ärzten wolle er sich nun in die „Horizontale“ begeben. Er bat die Abgeordneten von CDU und CSU, ihn dabei wohlwollend zu begleiten. Darauf erhielt Schäuble lang anhaltenden Beifall. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in der Sitzung: „Wenn Du in der Horizontalen bist, kannst Du ja auch telefonieren.“ Sie mahnte aber die Abgeordneten, den Minister zu schonen. Man könne auch sie anrufen, weil sie in ständigem Kontakt mit dem Finanzminister sei.

Erst Mitte Mai hatte der querschnittsgelähmte Politiker nach längerem Klinkaufenthalt seine Amtsgeschäfte wieder aufgenommen. Das Problem ist dasselbe: Entzündungen und eine nicht heilende Wunde, nachdem routinemäßig ein neues Implantat für die Verdauung eingesetzt worden war.

Wie schon bei den ersten unfreiwilligen Auszeiten fällt auch Schäubles neue Zwangspause in eine Zeit wichtiger Entscheidungen. Schon kommende Woche sollte er in Washington am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) über weitere Reformen der Finanzmärkte und des IWF verhandeln. Ende Oktober wollte Schäuble nach Südkorea reisen, um den Finanzministern der wichtigsten Wirtschaftsnationen (G20) den Welt-Finanzgipfel vorzubereiten.

Auch in Europa und in der Heimat stehen Top-Beschlüsse an: So sind schärfere EU-Strafen für Defizitsünder in Europa heftig umstritten. Hier gibt es zwischen Berlin und Paris Differenzen. Die könnte Schäuble, der einen guten Draht zu seiner französischen Kollegin Christine Lagarde hat, entschärfen. Und in Berlin kann bei den schwarz-gelben Streitthemen Haushalt, Sparpaket, Gemeindefinanzen und Steuervereinfachung längst keine Entwarnung gegeben werden.

Schäuble dürfte auch diesmal lange mit seinen Ärzten gestritten haben, ob ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt wirklich nötig wird. Er gilt als äußerst pflichtbewusst, sein Amt geht vor. Schäuble ist seit fast 40 Jahren in der Bundespolitik. Die Karriere enthält viele Höhepunkte, aber auch bittere Einschnitte, politisch und menschlich. Im Oktober 1990 schoss ein geistig verwirrter Mann im badischen Oppenau auf ihn, seitdem ist Schäuble querschnittsgelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. Der Architekt der deutschen Einheit war dennoch nur wenig später wieder im Büro. Mit eiserner Disziplin, viel Optimismus und Sturköpfigkeit pflegt der gläubige Christ und Vater von vier Kindern seinen ganz eigenen Politikstil.

1998 wurde Schäuble Nachfolger Kohls als Parteivorsitzender und stürzte politisch dann mit ihm über die Spendenaffäre. Zum Bruch mit Merkel kam es, als sie mit FDP-Chef Guido Westerwelle 2004 Schäuble als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten verhinderte. Beide einigten sich auf Horst Köhler – gegen den Widerstand der CSU. Später versöhnten sich Merkel und Schäuble, die nicht per Du sein sollen. Schäuble meinte einmal: „Ich bin nicht bequem, nicht pflegeleicht, ich bin loyal.“