Wie Merkel auf dem Uno-Gipfel in New York um einen deutschen Sitz im Sicherheitsrat wirbt und Entwicklungsländer in die Pflicht nimmt.

New York. Hat denn niemand an Bier gedacht? Micheil Saakaschwili, der georgische Präsident, der sich vor einem Jahr mutig-tollkühn mit den Russen angelegt hat, lässt noch einmal nachfragen: "Ein deutscher Empfang, und es gibt nur Champagner?" Nur ein Scherz, doch der Kellner mit dem Pils ist schon unterwegs, um deutsches Flair ins New York Plaza Hotel zu bringen.

Es sind nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Fragen, die wichtig sind diese Woche in New York, wo der Gipfel mit 140 Staatsmännern und -frauen nahtlos in die Uno-Vollversammlung übergeht. Hier hat jedes Land eine Stimme, also will jeder auch umworben sein - schließlich kämpft Deutschland um einen (nicht-ständigen) Sitz im Weltsicherheitsrat. Darum bewerben sich aus der westlichen Staatengemeinschaft auch Portugal und Kanada, es sind jedoch nur zwei Sitze zu vergeben.

Da ist etwa Emomalii Rahmon, Staatspräsident von Tadschikistan - und eine Erscheinung, die direkt aus der Breschnew-Ära nach New York gekommen zu sein scheint. Merkel spricht mit ihm Russisch - und schon das zaubert ein Lächeln in das harte Gesicht. Die Kanzlerin - zu Hause eher für ihren herben Charme bekannt - versteht es international, das Eis zu brechen. Ihre stets freundliche, interessierte Art hat so gar nichts Auftrumpfendes - das ist viel wert in den Zeiten von Sarkozy und Berlusconi. Die Amerikaner, denen Merkels Worte von der Übersetzerin Dorothee Kaltenbach in ungewöhnlich schönes Englisch übersetzt werden, nennen Merkels feine Zurückhaltung "smart".

Henry Kissinger, den Merkel am Montagabend mit Madeleine Albright und anderen amerikanischen Persönlichkeiten zu einem privaten Essen trifft, hat Außenpolitikern einmal den Rat gegeben, immer zu lächeln und einen dicken Knüppel mit sich herumzutragen. Lächeln kann Merkel, doch sie trägt an Stelle eines Knüppels eher einen dicken Geldbeutel mit sich herum: Der drittgrößte Geldgeber der Vereinten Nationen heißt Deutschland. Die Kanzlerin legt allerdings Wert darauf, die finanzielle Potenz nicht als Drohmittel einzusetzten.

Bevor die Kanzlerin den "Herbst der Entscheidungen" ausrief, wurde ihr vorgeworfen, sie beschränke sich aufs Moderieren. International liebt sie die Moderation tatsächlich. Im Frühjahr moderierte sie in der Türkei eine Diskussion mit Schülern, in Saudi-Arabien leitete sie ein Gespräch von Unternehmerinnen, am Montag in New York hat sie sich eine Talkrunde von Politikern zusammengestellt, um über Entwicklungspolitik zu reden. Hier macht sie deutlich, was sie unter der vielbeschworenen "guten Regierungsführung" versteht: "Wir kämpfen um die Best Practice: Was funktioniert, was funktioniert nicht?" Darum gehe es jetzt, nicht um mehr Geld.

Da stimmt sogar der äthiopische Premier Melis Zenawi zu, dessen Land von Entwicklungshilfe abhängt. Als einziger Vertreter der sogenannten Nehmer-Länder auf Merkels Podium lobt er die Millenniumsziele und den Ansatz der Kanzlerin. Dass der eloquente Mann einer Regierung angehört, deren Umgang mit den Menschenrechten alles andere als unproblematisch ist, weiß Merkel. Offen ansprechen wird es die Kanzlerin jedoch nicht. In ihrer Rede vor dem Plenum spricht sich Merkel gestern noch einmal für eine stärkere Erfolgskontrolle bei der Entwicklungshilfe aus: "Zweifellos müssen wir die Wirksamkeit der Instrumente der Entwicklungspolitik weiter verbessern."

Dann zieht ein anderer alle Augen auf sich: Der britische Entwicklungshilfeminister Andrew Mitchell, der gar nicht eingeladen war, schnappt sich ein Mikrofon und kapert die Veranstaltung. Jetzt wartet jeder auf eine Sensation, doch der Brite stellt nur die Erfolge seiner Regierung vor, die - anders als Deutschland - tatsächlich bald 0,7 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in die Entwicklungshilfe gibt. Merkel kommentiert: "Dank an unseren britischen Kollegen, dass er sich für den britischen Beitrag - als Teil des europäischen Beitrags - belobigt hat." Die lächelnde Außenpolitikerin Merkel mag keinen dicken Knüppel haben. Aber immerhin hat sie ein feines Florett.