„Ich stehe dort für das Konservative, aber ich stehe immer mehr allein.“ Die Verdrehung historischer Wahrheiten wurde ihr zum Verhängnis.

Berlin. Am Ende war es eine unglückliche Verteidigungsrede, die Erika Steinbachs Abgang aus der CDU-Spitze beschleunigte. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BDV) und Bundestagsabgeordnete zieht die Konsequenzen aus der Affäre um verdrehte historische Wahrheiten. Sogar in der eigenen Partei waren Stimmen nach einem Rückzieher oder gar ihrem Rückzug laut geworden. „Ich werde nicht mehr erneut für den Parteivorstand kandidieren“, sagte Steinbach jetzt der „Welt“. „Ich habe dort nur noch eine Alibifunktion, die ich nicht mehr wahrnehmen möchte. Ich stehe dort für das Konservative, aber ich stehe immer mehr allein.“

Steinbach betonte die historischen Verdienste ihrer Partei im Zusammenhang mit der Vertriebenenfrage: „Die CDU hat sich als einzige politische Kraft der Vertriebenen angenommen.“ Die Debatte um die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ habe sie jedoch „desillusioniert“. Ihre Absage an weitere Führungsämter kombinierte Steinbach mit einer Warnung an die CDU: „Meine CDU ist nicht auf einem guten Weg. Denn mit Anpassung zieht man keine Wähler an.“

Auch FDP-Chef Guido Westerwelle hatte die Äußerungen Steinbachs über Polen und den Zweiten Weltkrieg als „nicht akzeptabel“ kritisiert. Wer durch zweideutige Äußerungen die Verantwortung Deutschlands am Zweiten Weltkrieg infrage stelle, müsse bedenken, dass es nicht nur den geschichtlichen Tatsachen widerspreche, sagte Westerwelle.

Der Außenminister betonte, damit werde dem Ansehen Deutschland im Ausland geschadet, „nicht nur bei unseren Nachbarländern, nicht nur in Polen“. Steinbach wollte das ihr zugeschriebene Zitat „Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat“ am Donnerstag weder bestätigen noch dementieren.

Steinbach sagte der Agentur dpa, die polnische Mobilisierung vor dem Zweiten Weltkrieg sei ein „Faktum“. Steinbach sagte: „Ich kann es doch nicht ändern, dass Polen mobil gemacht hat.“ Sie sagte, wenn man solche Wahrheiten nicht mehr offen aussprechen könne, „dann leben wir nicht mehr in einer Demokratie“. Die Schuld für den Zweiten Weltkrieg werde mit einer solchen Äußerung keineswegs relativiert. „Eines ist für mich ganz deutlich: Den Krieg hat Deutschland angefangen.“

Steinbach hatte nach eigenen Angaben am Vortag in einer Sitzung des Fraktionsvorstands gesagt: „Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat.“ Hintergrund ist eine ähnliche Äußerung des vom Bund der Vertriebenen (BdV) als Stellvertreter für den Beirat der Stiftung benannten Hartmut Saenger. Auch das zweite stellvertretende Stiftungsratsmitglied des BdV, Arnold Tölg, steht wegen ähnlicher Äußerungen in der Kritik. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte sich wegen der Berufung der beiden CDU-Politiker am Montag aus dem Gremium zurückgezogen.

In der Sitzung des Fraktionsvorstands hatte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) die Äußerungen Tölgs und Saengers kritisiert. Steinbach griff ihren Parteifreund dafür scharf an. Kauder soll Steinbach dann abgewürgt und die Haltung der Fraktion deutlich gemacht haben. Andere Positionen als die klare deutsche Kriegsschuld hätten keinen Platz in der Fraktion, stellte die Fraktionsspitze klar.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, nannte Äußerungen wie die Steinbachs „unerträglich“. „Sie stellt sich außerhalb des demokratischen Konsenses in Deutschland“, sagte er. Oppermann forderte eine schnelle Distanzierung der CDU. „Die SPD wird den Vorfall im Bundestag zur Sprache bringen.“