Im Streit über die Besetzung der Vertriebenen-Stiftung mit Erika Steinbach stellte sich die Union gestern vor die Vertriebenen-Präsidentin.

Berlin. Es sei "sehr erstaunlich", sagte die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach, dass Bundesaußenminister Guido Westerwelle sich auf Kosten der Vertriebenen profilieren wolle. Sie meinte damit die Weigerung des FDP-Chefs, sie als mögliches Mitglied im Beirat der von ihr selbst initiierten Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" zu akzeptieren. "Der Außenminister hat auf eine schnelle Art und Weise ohne Not und ohne Druck aus Polen Position bezogen", stellte sie fest - und demonstrierte damit zugleich, dass sie nicht im Traum daran denkt, ihre Ambition aufzugeben.

Der Streit über die Besetzung der Vertriebenen-Stiftung mit Erika Steinbach wird damit immer mehr zu einer Belastung für die schwarz-gelbe Koalition.

Die Unionsspitze stellte sich gestern vor Steinbach, die seit 20 Jahren eine feste Größe in der Bundestagsfraktion ist.

Deren Chef Volker Kauder warnte die FDP vor einer Einmischung in die Angelegenheit. Die Aufforderung der FDP mit deutschen Interessen zu verbinden sei abenteuerlich und abwegig, sagte Kauder mit Blick auf führende Liberale. "Ich kann mir vorstellen, dass viele Deutsche das deutsche Interesse anders formulieren würden als die FDP."

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verwies nach der Kabinettsklausur auf das Vorschlagsrecht des Verbandes, das im Wahlprogramm der Union auch erwähnt sei. Aber das Thema habe in Meseberg keine Rolle gespielt. Kein Wunder, denn keiner der Beteiligten scheint zu wissen, wie man die Kuh vom Eis kriegen könnte.

Westerwelle will der Personalie im Kabinett nicht zustimmen, und Steinbach will auf ihren Anspruch nicht verzichten. Aus ihrer Sicht zu Recht, denn schließlich würde es das geplante "Zentrum für Vertreibungen" ohne sie nicht geben. Abgesehen davon stehen dem Bund der Vertriebenen (BdV) im 13-köpfigen Beirat drei Sitze zu.

Die Kanzlerin bringt das Beharren der eisernen Parteifreundin erneut in Bedrängnis. Immerhin hat Erika Steinbach zähneknirschend das Ende der Großen Koalition abgewartet, bevor sie ihren Anspruch wieder auf die Tagesordnung brachte. Nicht wissend, dass sich die Liberalen als ebenso hartleibig erweisen würden wie vorher die Sozialdemokraten. Wie hat der neue Außenminister Anfang des Monats in Warschau gesagt? Deutschland werde "alles unterlassen", was der Versöhnung entgegenstehe. Im Klartext hieß das: Steinbachs Weg in den Stiftungsrat führt nur über meine Leiche.

Wer Erika Steinbach persönlich begegnet ist, wird sie als offene und zugewandte Person in Erinnerung haben. Wer sie in ihrer Funktion als BdV-Präsidentin erlebt hat, wird wissen, dass sie Wert darauf legt, nicht in die Ecke der Ewiggestrigen gestellt zu werden. Zwar hat die Bundestagsabgeordnete Steinbach 1991 gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt, was ihr die Polen und Westerwelle bis heute vorwerfen. Aber damals ist sie noch nicht BdV-Präsidentin gewesen. Und seit vielen Jahren wird sie nicht müde zu sagen, dass Hitler das Elend über Europa gebracht hat und dass die Vertreibungen der Preis für die Verbrechen der Nazis sind.

Die 1943 in Westpreußen geborene Erika Steinbach hat den BdV liberalisiert. Sie hat den Vertriebenen viele unangenehme Wahrheiten gesagt. Etwa als es um die Aufgabe von Eigentumsansprüche gegen Staaten wie Polen oder Tschechien ging. Der Holocaust-Überlebende Ralph Giordano hat das anerkannt, als er in einem Gastbeitrag für das Abendblatt schrieb: "Wer Erika Steinbach eine Revanchistin nennt, begeht Rufmord."