Berlins Bürgermeister ist für ein Parteiverfahren. Der Zentralrat der Juden wirft der Bundesbank vor, zu lasch mit Thilo Sarrazin umzugehen.

Berlin. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat sich von seinem früheren Finanzsenator Thilo Sarrazin distanziert und unterstützt das Parteiverfahren gegen ihn. „Ich bedauere dies, dass wir dazu gezwungen werden“, sagte Wowereit im Bayerischen Rundfunk. „Aber bei einer Partei ist maßgeblich, dass dort Menschen zusammenkommen, die einen Grundkonsens haben.“

„Die Thesen von Thilo Sarrazin sind mit der sozialdemokratischen Grundidee, nämlich der sozialen Gerechtigkeit, nicht vereinbar“, erklärte der Bürgermeister. Sarrazin war sieben Jahre lang, von Januar 2002 bis April 2009, Berliner Finanzsenator unter Wowereit. Auch in dieser Zeit war er durch provokante Bemerkungen aufgefallen.

Die Bundesbank hat Sarrazin am Dienstag zu einem Gespräch nach Frankfurt zitiert. Über das Ergebnis der Anhörung werde er anschließend mit dem Bundesbankvorstand beraten, sagte der Ethik-Beauftragte der Notenbank, der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler Uwe H. Schneider, der Nachrichtenagentur dpa. Der Beauftragte für Corporate Governance prüft, ob Vorstände gegen den Verhaltenskodex der Bundesbank verstoßen. Die Bundesbank hatte sich von Sarrazin distanziert.

Wowereit warf Sarrazin vor, er habe jetzt Grenzen überschritten, vor allem bei seinen Ansichten zur Vererbung. „Das ist einfach blödsinnig“, sagte er weiter. Ein Radikaler sei Sarrazin aber nicht, ergänzte Wowereit. Er sei aber jemand, der sich in der Pose desjenigen gefalle, der Dinge ausspreche, die andere nicht zu sagen wagten. „Er ist offensichtlich bei der Bundesbank nicht ausgelastet und freut sich über den Medienrummel, der entstanden ist. Es ist auch ein großes Stück Eitelkeit dabei.“

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat der Bundesbank ein zu nachsichtiges Vorgehen gegen ihr Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin vorgeworfen. „Die Meinung von Herrn Sarrazin hat nichts mit der Bundesbank zu tun. Daher sollte die Bundesbank auch besser nichts mit Herrn Sarrazin zu tun haben“, sagte Vizepräsident Dieter Graumann zu „Handelsblatt Online“. Zu seiner Zeit als Mitarbeiter der Bundesbank wären solche Aussagen eines Vorstands undenkbar gewesen. „Sie sollten es auch heute sein.“

Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) hält Sarrazin für „nicht mehr tragbar“, wie sie den „Ruhr Nachrichten“ sagte. „Wir haben durchaus auch viele Migranten muslimischen Glaubens, die es zu sehr guten Schulergebnissen bringen.“

Sarrazin bekräftigte in der ARD-Sendung „Beckmann“ seine Thesen. SPD-Vize Olaf Scholz begründete das Ziel, Sarrazin aus der SPD auszuschließen. „Er diskutiert über Abstammung, über Herkunft als Problem, und nicht als Aufgabe, wie man Menschen eine bessere Zukunft verschaffen kann.“

Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, sprach sich in der ARD gegen einen Ausschluss aus. Der Publizist und Enthüllungsautor Günter Wallraff riet im Deutschlandradio Kultur dazu, Sarrazin in der SPD zu lassen. Sonst bestehe die Gefahr, dass er eine rechtspopulistische Partei nach Vorbild des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders gründe.