„Der Staat kann die Elternrolle nicht übernehmen.“ SPD für kostenlose Angebote an alle. Dafür müsste das Kindergeld gekürzt werden.

Berlin. Die von Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) geplante Bildungs-Chipkarte stößt bei SPD-Politikern, aber auch innerhalb der Union weiter auf Vorbehalte. Vor einem Treffen von der Leyens mit Vertretern von Ländern und Kommunen am Freitag warnte die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär davor, dem Staat die Elternrolle zuzuweisen. SPD-Bundesvize Manuela Schwesig, Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, warf von der Leyen vor, dass sie die „Grundsicherung für Hartz-IV-Empfänger weiterhin kurz halten“ wolle.

Bär, familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, sagte „Handelsblatt Online“: „Guthaben auf einer Chipkarte, die nur für bestimmte Betreuungs-, Bildungs- und Sportangebote eingelöst werden können, beschränken in anmaßender Weise die elterliche Erziehungsfreiheit.“ Eltern wüssten am besten, was gut und richtig für ihre Kinder ist.

Die Junge Union dagegen begrüßte die Pläne: Von der Leyens Vorschlag gehe in die richtige Richtung, sagte der Vorsitzende Philipp Mißfelder am Freitag der Nachrichtenagentur dapd. „In einer Zeit, in der der Staat immer weniger Geld zur Verfügung hat, müssen wir garantieren, dass Solidarleistungen auch wirklich bei den betroffenem Kindern angekommen.“ Gerade in Großstädten sei das Instrument einer Chipkarte statt Bargeld dringend notwendig, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete, der auch Präsidiumsmitglied der CDU ist.

SPD-Vize Schwesig sagte der „Süddeutschen Zeitung“, von der Leyen wolle mit ihren Chipkarten-Plänen davon ablenken, dass sie die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuberechung der Hartz-IV-Sätze in der Koalition nicht durchsetzen könne. Die SPD werde im Bundesrat kein Gesetz mittragen, das womöglich erneut in Karlsruhe scheitert. Für die Chipkarten-Pläne ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Und nach dem Regierungswechsel in NRW ist die Mehrheit für Schwarz-Gelb in der Länderkammer dahin.

Bundessozialministerin von der Leyen will bis Mitte nächsten Jahres elektronische Bildungschipkarten für Hartz-IV-Kinder in Modellregionen einführen. Ihr geplantes „Bildungspaket“ sieht vor, dass künftig die Jobcenter Ausgaben für Nachhilfeunterricht oder die Mitgliedschaft in Vereinen übernehmen. Langfristig will von der Leyen eine Bildungskarte für alle Kinder aus Haushalten mit geringem Einkommen einführen.

Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Miriam Gruß, begrüßte die Pläne. Die Leistungen der Jobcenter für bedürftige Familien wirkten für Kinder heute schon zum Teil stigmatisierend, sagte Gruß „Handelsblatt Online“: „Die Karte wäre eine Möglichkeit, diesen Zustand endlich abzuschaffen.“

Nordrhein-Westfalens Sozialminister Guntram Schneider (SPD) befürchtet einen großen organisatorischen Aufwand durch Chipkarten, beispielsweise durch die flächendeckende Anschaffung von Lesegeräten. Diese Kosten dürften nicht Ländern und Kommunen aufgebürdet werden, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Schneider forderte stattdessen kostenlose kulturelle, gesellschaftliche und schulische Angebote für alle Kinder. Diese könnten stufenweise über Einsparungen beim Kindergeld oder den Verzicht auf künftige Kindergelderhöhungen finanziert werden.