Die beiden Bischöfe Zollitsch und July setzen die Politik unter Druck. Sie fordern eine deutliche Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze.

Hamburg. In der Debatte um die zukünftigen Hartz-IV-Leistungen melden sich erstmals die beiden großen Kirchen zu Wort. Im Abendblatt fordern sie die Bundesregierung auf, die Sätze für Langzeitarbeitslose zu erhöhen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, und der Vorsitzende des Diakonischen Rats, der evangelische württembergische Landesbischof Frank Otfried July, sprachen sich für eine Anhebung des Regelsatzes aus. Zugleich kritisierten die Vertreter der beiden Kirchen die von Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) geplanten Gutscheine für die Kinder von Langzeitarbeitslosen.

Erzbischof Zollitsch verwies auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Leistungen. "Es hat uns wieder neu ins Bewusstsein gerufen, dass der Staat aus Verfassungsgründen ein Existenzminimum zu gewährleisten hat", sagte er dem Abendblatt. "Hierzu ist eine Anhebung des Regelsatzes ein wichtiger Schritt. Wir haben eine Verpflichtung, uns für ein menschenwürdiges Leben einzusetzen. Ich warne vor sozialem Kahlschlag und fordere soziale Ausgewogenheit."

Zugleich sprach sich Zollitsch dafür aus, zugunsten höherer Hartz-IV-Sätze notfalls höhere Schulden in Kauf zu nehmen. "Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist, soweit erforderlich, eine zusätzliche Belastung der öffentlichen Haushalte zu verantworten", sagte der höchste Repräsentant der katholischen Kirche in Deutschland. Allerdings müsse geprüft werden, wie an anderer Stelle Einsparungen möglich seien, ohne dass es zu sozialen Verwerfungen komme, forderte Zollitsch.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar der Regierung aufgegeben, bis Ende 2010 eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage vorzulegen und die Regelleistungen für rund 6,8 Millionen Hartz-IV-Empfänger entsprechend anzupassen. Der jetzige Regelsatz liegt bei 359 Euro im Monat. Bis zum Herbst will die Koalition die neuen Sätze berechnen. Unklar ist, ob es überhaupt zu einer Erhöhung kommen soll.

Wie sein katholischer Amtsbruder setzte sich auch der evangelische Landesbischof Frank Otfried July für eine signifikante Anhebung der Geldleistungen für Langzeitarbeitslose ein. "Um Arbeitslosen eine wirkliche Teilhabe am sozialen Leben ermöglichen zu können, müssen die Hartz-IV-Sätze nach oben angepasst werden. Wir sprechen diesen Menschen sonst ihre Lebensqualität ab", sagte July dem Abendblatt.

"Unsere Experten in der Diakonie sind der Meinung, dass die Sätze um 20 Prozent steigen müssen. Wir stellen uns eine Anpassung des Regelsatzes vor, die bei mehr als 400 Euro liegt", sagte der Chefaufseher des Diakonischen Werks.

Auch mehrere Sozialverbände und die Grünen fordern eine deutliche Anhebung der Hartz-IV-Sätze. Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) ließ gestern offen, wie stark die Regelsätze künftig steigen werden. Es werde derzeit "an der Lebenswirklichkeit" berechnet, was ein Mensch zum Leben brauche, sagte sie der "Bild"-Zeitung. In der Regierungskoalition wird Kritik an höheren Regelsätzen laut.