Bundesumweltminister Norbert Röttgen will in NRW der Nachfolger von Jürgen Rüttgers werden und trifft dabei auf starke Gegner.

Berlin/Düsseldorf. Norbert Röttgen hat noch einmal tief Luft geholt. Vergangene Woche wanderte er über die Berge im österreichischen Kärnten. Urlaub, bevor der Umweltminister offensiv in einen Herbst geht, der über seine politische Zukunft entscheiden könnte. Zurück aus den Alpen zieht er mit einem Brief in den Machtkampf um den Vorsitz der CDU in Nordrhein-Westfalen. Er werde kandidieren und wolle die Partei auch als Spitzenkandidat in die nächste Landtagswahl führen, heißt es in dem Schreiben. Alle 54 CDU-Kreisvorsitzende und wichtige Funktionsträger wurden informiert. Und auch Röttgens Gegenspieler weiß Bescheid: Armin Laschet , der frühere Integrationsminister des größten deutschen Bundeslandes.

Bereits vergangene Woche war er vorgeprescht und hatte seine Kandidatur für das Amt des Parteichefs verkündet. Mitten in Röttgens Urlaub und lange vor Ablauf der Bewerbungsfrist am 30. August. Eine breite Machtbasis für Laschet hat sich hinter dem Rücken des Umweltministers formiert, gegen die er nun antreten muss. Denn an Laschets Seite haben sich seine ehemaligen Konkurrenten gestellt, denen noch vor Wochen selbst Ambitionen auf das höchste Amt in der Landespartei nachgesagt wurden: Fraktionschef Karl-Josef Laumann und Generalsekretär Andreas Krautscheid. Was dieses Trio verfolgt, ist die "Düsseldorfer Lösung" des Nachfolgeproblems an der CDU-Spitze . Sie setzen auf einen Vorsitzenden, der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) tagtäglich Paroli bieten kann - und als Spitzenkandidat für vorgezogene Neuwahlen bereitsteht. Beides sei mit Röttgen gegenwärtig nicht zu machen. Schließlich sitze er in Berlin und nicht im Landtag von NRW.

In seinem Schreiben an die CDU-Kreisvorsitzenden greift Röttgen diese Kritik auf: Für einen Erfolg der CDU würden alle gebraucht. "Darum gibt es nach meiner Meinung auch weder eine ,Landeslösung' noch eine ,Bundeslösung', sondern nur eine NRW-Lösung für den Landesvorsitz." Der Umweltminister ist jedoch bereit, in die Landespolitik zu wechseln. "Dass ich als Landesvorsitzender an der Stelle kandidieren und arbeiten würde, an der die Partei mich haben will, ist für mich so selbstverständlich wie die Bereitschaft, die CDU als Spitzenkandidat in die nächste Landtagswahl zu führen."

Die Fronten also stehen. Röttgen gegen Laschet. Das allerdings bedeutet nicht nur einen Machtkampf zwischen Düsseldorf und Berlin, sondern auch einen Machtkampf zwischen dem Establishment der Landespartei und der 160 000 Mitglieder starken Basis. Denn die favorisiert offenkundig Röttgen. Laut einer Umfrage des WDR sehen 47 Prozent in ihm den besseren Parteivorsitzenden. Nur 34 Prozent bevorzugen Armin Laschet.

Röttgen weiß das natürlich - und rührt deshalb schon seit Längerem die Werbetrommel für einen Mitgliederentscheid. Auch Laschet hat sich gestern für ein Votum der Basis ausgesprochen. Nach dem Wahl-Debakel vom 9. Mai, bei dem die Landespartei zehn Prozentpunkte verloren hatte, steht es mit der Stimmung unter den Mitgliedern nicht gerade zum Besten. Eine Einbindung der Basis könnte da Abhilfe schaffen. Um nun den eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern, will sich Laschet auf Rundreise durch die 54 Kreisverbände des Landes begeben. Händeschütteln, gemeinsame Fotos, kurz: Präsenz zeigen. Die wichtigen Leute in seiner Partei hat er auf seiner Seite. Nun muss er um die Basis werben.

Umweltminister Norbert Röttgen hat in diesen Tagen ohnehin genug zu tun: Der Streit um die Zukunft der deutschen Kernkraftwerke nähert sich dem Höhepunkt - und der Gegenwind von Atomlobby, aber auch Unionspolitikern vor allem aus den südlichen Bundesländern nimmt zu. Es passt zum Ehrgeiz des Norbert Röttgen, dass er jetzt den Kampf an zwei Fronten aufnimmt - den Atomstreit und den Streit um die Macht in NRW. Doch es könnte eng werden für ihn. Nicht nur bei der Atompolitik.

Insgesamt dürfe der CDU eine schwere Wahl bevorstehen. Denn in ihren politischen Positionen unterscheiden sich der 45-jährige Röttgen und der 49-jährige Laschet kaum. "Es gibt keine politischen Gegensätze zu Röttgen", hatte Laschet deshalb auch einmal in einem Interview bekannt. CDU-Bundespolitiker Ruprecht Polenz sagte dem Abendblatt: "Sowohl Röttgen als auch Laschet gehören zum liberalen Flügel, beide sind in ihren Ressorts Modernisierer. Es wird für die CDU in NRW keine leichte Entscheidung."

In Berlin wie in Düsseldorf hielt man sich gestern jedoch insgesamt mit Reaktionen zurück. Auch Röttgen selbst will sich erst heute öffentlich zu seiner Kandidatur äußern. Armin Laschet traf gestern gegenüber der "Bild"-Zeitung zunächst die lapidare Feststellung: "Jetzt sind wir eben zu zweit. Ich will die Kandidatur nicht bewerten." In einer späteren Erklärung versprach er dann einen fairen Wettbewerb und plädierte ebenfalls für eine Entscheidung an der Parteibasis. "Die Mitglieder sollen entscheiden, wie wir uns optimal gegenüber der von der Linken gestützten rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen aufstellen", teilte Laschet mit. Auch er befindet sich derzeit im Urlaub. Noch einmal richtig Luft holen für einen Machtkampf, der jetzt endgültig begonnen hat.