Nächste Woche will sich SPD-Landeschefin Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Ihr fehlt ein Mandat zur absoluten Mehrheit.

Düsseldorf. Der Koalitionsvertrag für eine rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen steht. Die Verhandlungsführerinnen von SPD und Grünen haben am Dienstag die Einzelheiten festgelegt. Offiziell soll der Koalitionsvertrag am Sonnabend auf den Parteitagen beschlossen werden. Mitte nächster Woche will sich SPD-Landesparteichefin Hannelore Kraft dann als Nachfolgerin von Jürgen Rüttgers (CDU) zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Im Landtag fehlt Rot-Grün allerdings ein Mandat zur absoluten Mehrheit. Damit ist das Bündnis auf wechselnde Mehrheiten aus den Reihen der übrigen drei Landtagsfraktionen angewiesen. Krafts Wahl gilt aber als wahrscheinlich.

Bei der Landtagswahl vor zwei Monaten war die schwarz-gelbe Koalition von Rüttgers abgewählt worden. Kraft hatte anschließend mit sämtlichen Fraktionen Sondierungsgespräche geführt. Letztlich sah sie aber nur mit den Grünen ausreichend Gemeinsamkeiten.

Gut acht Wochen hat sie geredet. Jetzt will Hannelore Kraft regieren. Läuft für sie alles nach Plan, wird das künftige Spitzen-Duo des bevölkerungsreichsten Bundeslands nicht mehr männlich und schwarz-gelb, sondern weiblich und rot-grün sein. Hannelore und Sylvia nennen sie sich bereits, die beiden Frontfrauen von SPD und Grünen. Das vertraute „Du“ ergab sich in sichtlich harmonischen Koalitionsverhandlungen fast automatisch.

Innerhalb von nur zwei Wochen schafften es SPD und Grüne, einen rund 90 Seiten starken Koalitionsvertrag zu entwerfen – nach außen völlig geräuschlos. „Jeder schluckt Kröten in Verhandlungen“, räumt Kraft ein. „Aber das ist gut verteilt.“ Die Verhandlungsführerin und Landtagsfraktionschefin der Grünen, Sylvia Löhrmann, will von Kröten gar nichts gemerkt haben. „Wir haben es geschafft, an gemeinsamen Zielen zu arbeiten.“

Keine Spur vom Gift der rot-grünen Streit-Koalitionen, die von 1995 bis 2005 sichtlich unfreiwillig das Land regiert hatten. Knackpunkte in den Verhandlungen – Fehlanzeige. Energiepolitik, Industrie, Verkehr, Schulsystem – kein Problem, so scheint es. Trotz durchaus unterschiedlicher Positionen in den beiden Wahlprogrammen. Ob die neue rot-grüne Harmonie den mühsamen Alltag einer Minderheitsregierung übersteht, muss sich erst erweisen.

Ganz andere Sorgen hat die NRW-CDU: Nach nur fünf Jahren an den Hebeln der Macht muss sie nun schon wieder die Oppositionsrolle einstudieren. 39 Jahre hatte sie schon Gelegenheit dazu, bevor Jürgen Rüttgers 2005 den Chefsessel in NRW erobern konnte. Er steht als Oppositionschef nicht zur Verfügung. Diese Aufgabe muss nun der hemdsärmelige Noch-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann stemmen.

Rüttgers hat sich in den vergangenen Wochen schwergetan, die Niederlage bei der Landtagswahl am 9. Mai zu verarbeiten. Er brauchte sechs Wochen, um schrittweise seinen Rückzug auf Raten aus allen Regierungs- und Parteiämtern anzukündigen. Kein einziges Mal seit seiner Wahlschlappe stand er den politischen Journalisten der Landeshauptstadt in einer Pressekonferenz Rede und Antwort.

Am Dienstag wählte die CDU-Fraktion Laumann zu ihrem neuen Vorsitzenden. Damit besetzt Laumann einen der wichtigsten Posten bei den Christdemokraten an Rhein und Ruhr.

Laumanns Gegenkandidat Armin Laschet repräsentiert eher eine liberale, moderne und urbane CDU. Laschet wollte eine inhaltliche Erneuerung der Christdemokraten vorantreiben – weg vom Image als „Arbeiterpartei“, hin zu einer Stärkung der wirtschafts- und finanzpolitischen Kompetenz. Jetzt sitzt Laumann auf dem Chefsessel. Der Sohn eines Landwirts lernte Maschinenschlosser, weil er den elterlichen Hof in Westfalen nicht übernehmen konnte. Er engagierte sich als Gewerkschafter und Betriebsrat. Seit seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter eilt ihm der Ruf voraus, ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet Arbeit und Soziales zu sein.