Junge Abgeordnete beharren auch nach Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel weiter auf einer Sondersteuer für Kinderlose.

Berlin. Die Welt der Werbung kennt einen treffenden Ausdruck für jene Gesellschaftsmitglieder, um deren Portemonnaies im politischen Berlin gerade gestritten wird: Er lautet Dinks. Die Buchstaben stehen für den englischen Begriff "double income, no kids", also für Partnerschaften ohne Kinder, aber dafür mit doppeltem Einkommen. Laut "Szenesprachen"-Duden, der auf die Entwicklung neudeutscher Begriffe reagiert, sind Dinks Ehepaare, "meist um die dreißig, die kinderlos sind und sich auf ihre Karriere konzentrieren. Da beide Teile des Haushalts berufstätig sind, erwirtschaften sie ein relativ hohes Einkommen (...) Dinks sind - wie die Yuppies - meist der oberen Mittelschicht zuzuordnen."

9,9 Millionen Dinks leben derzeit in Deutschland. Eine Gruppe junger Unions-Abgeordneter um den sächsischen Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz möchte diese Paare künftig stärker belasten als Paare, die bereits Eltern sind. Eine Sonderabgabe für Kinderlose planen sie, eine "solidarische Demografie-Rücklage", die auf die alternde Gesellschaft reagiert und das ohnehin strapazierte umlagefinanzierte System bei Rente und Pflegeversicherung etwas entlasten soll.

Der Vorschlag lautet, Kinderlose ab 25 Jahren mit einem Prozent ihres Einkommens zur Kasse zu bitten. Die Abgabe könne nach der Anzahl der Kinder gestaffelt werden. Kinderlose sollen voll zahlen, Eltern mit einem Kind die Hälfte, Eltern mit mehreren Kindern nichts, um "das Ungleichgewicht des Generationenvertrages zu glätten", wie es in einem Konzeptpapier heißt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dem Vorstoß jedoch eine klare Absage erteilt. Die Diskussion der Einteilung "in Menschen mit Kindern und ohne Kinder ist hier nicht zielführend", erklärte sie. Das Anliegen der jungen Gruppe der Unionsfraktion, die sozialen Sicherungssysteme nachhaltig zu gestalten, sei zwar berechtigt. Mit dem Vorstoß seien die Probleme der Finanzierung jedoch nicht lösbar. Auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) wies den Vorschlag zurück. Es sei vernünftiger, "Kinderwünsche zu befördern, statt Kinderlosigkeit zu bestrafen". Auch Vertreter von SPD und Grünen kritisierten die Abgabe für Kinderlose scharf.

Für Jens Spahn ist das kein Grund, die Diskussion zu beenden. Er ist gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag und Unterstützer der jungen Parlamentariergruppe um Wanderwitz. Trotz Widerstands von Parteichefin Merkel bekräftigte er gestern im TV-Sender Phoenix die Forderung. Deutschland brauche eine "Demografie-Reserve". Er sagte: "Wir ducken uns immer ein wenig weg, wenn wir sagen, dass wir weniger und älter werden. Aber wir wollen alle nicht so richtig wissen, welche Schlussfolgerungen das bei der Rente mit 67 oder der Pflegeversicherung bedeutet."

Aus Spahns Sicht haben Paare mit Kindern bereits einen Beitrag zugunsten der demografischen Entwicklung geleistet, den Kinderlose durch eine Abgabe ausgleichen sollen. Er betonte: "Es geht nicht um Strafzahlungen für Kinderlose. Wir wollen eine Demografie-Reserve für die Jahre 2040, 2050 und folgende aufbauen. Leider ist in der Debatte aus einem Bonus für Familien eine Bestrafung für Kinderlose geworden." Das habe "etwas Schieflage" gebracht. Es schade der Union nicht, "wenn wir ab und zu Diskussionen anstoßen, anstatt sie nur aus der Gesellschaft aufzugreifen".

Unterstützung kam vom Deutschen Familienverband. "Es geht dabei nicht um eine Bestrafung von Kinderlosen", sagte dessen Bundesgeschäftsführer Siegfried Stresing der "Allgemeinen Zeitung" in Mainz. "Es geht darum, endlich Schluss zu machen mit einer Transferausbeutung zulasten der Familien. Kinderzahlabhängige Sozialabgaben sind keine mildtätige Familienförderung. Sie sind eine Frage der Gerechtigkeit", so Stresing.

Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, plädierte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für eine Rentenreform, die Kinderreiche begünstigt und Kinderlose stärker belastet. Es gebe in Deutschland eine massive Umverteilung von Familien zu Kinderlosen. "Es ist nur angemessen, wenn man diese Umverteilung zu vermindern versucht, indem man einen größeren Teil der ökonomischen Vorteile von Kindern in den Familien belässt, deren Entbehrungen bei der Kindererziehung diese Vorteile überhaupt erst entstehen lassen", sagte Sinn.

Nach einer Studie des Ifo-Instituts liege der fiskalische Vorteil, den ein zusätzliches Kind im Laufe seines Lebens allein schon über die Rentenversicherung für die Gemeinschaft erzeuge, bei etwa 150 000 Euro.