Als junge Mutter kehrt Kristina Schröder in ihr Ministerium zurück. Andere haben erfahren, wie schwer es ist, Politik und Familie zu vereinbaren.

Berlin. Als Kristina Schröder im Januar ihre Schwangerschaft verkündete, fanden das eigentlich erst mal alle richtig gut. Die anderen Kabinettsmitglieder beglückwünschten und umarmten ihre Kollegin, und selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel soll ganz entzückt gewesen sein über das herannahende Mutterglück der Familienministerin. Immerhin: Die damals 33-jährige Schröder sollte die erste Ministerin sein, die in ihrer Dienstzeit ein Kind zur Welt bringt. Ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.

Lotte Marie Schröder wurde am 30. Juni 2011 in Berlin geboren. Heute, zehn Wochen später, kehrt ihre Mutter an ihren Schreibtisch zurück. Wie genau sie Kind und Kabinett vereinbaren will, dazu sagt Schröder in der Öffentlichkeit nichts. Privates und Berufliches werde sie strikt trennen, hieß es am Wochenende erneut aus ihrem Ministerium. Nur so viel ließ Schröder zu Beginn ihrer Schwangerschaft verlauten. "Wir werden dann vor den gleichen Herausforderungen stehen wie viele andere Paare in Deutschland, bei denen beide beruflich sehr gefordert sind. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir das auch mit Unterstützung unserer Familien hinbekommen." Wir, das sind die Ministerin und ihr Ehemann Ole Schröder, parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium und Vorsitzender der schleswig-holsteinischen Landesgruppe der CDU im Bundestag.

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Dass es in so einer Situation nicht ganz einfach ist, Job und Familie unter einen Hut zu bringen, weiß auch Aydan Özoguz. Nun ist sie nicht Inhaberin eines politischen Spitzenamts wie Schröder, wohl aber eine viel beschäftigte Bundestagsabgeordnete, die zwischen Plenum, Ausschüssen, Fraktionssitzungen und der Arbeit im Hamburger Wahlkreis pendelt. Ihre Tochter Hanna ist acht Jahre alt. Hannas Vater, Özoguz' Ehemann, ist Innensenator Michael Neumann. Die beiden SPD-Mitglieder haben sich in der Politik kennengelernt und wussten, dass es sich um einen Job mit wenig Freizeit handelt. Dreh- und Angelpunkt der Kindererziehung ist deshalb Neumanns Mutter, die sich um Hanna kümmert, wenn ihre Eltern beruflich eingespannt sind. "Ohne sie könnte ich meinen Beruf nicht ausüben", sagt Özoguz. Die 44-Jährige fährt trotzdem in den Sitzungswochen häufig abends mit dem Zug nach Hamburg. Das sei natürlich anstrengend, sagt sie, aber das nehme sie in Kauf. "Mir ist es wichtig, abends noch einmal nach dem Rechten zu sehen und meine Tochter morgens zu umarmen, bevor sie in die Schule geht. Man muss ganz klar Prioritäten setzen."

Mal eben über Nacht nach Hause zu fahren schafft FDP-Politikerin Judith Skudelny meistens nicht. Ihr Wahlkreis liegt in Baden-Württemberg. "Das größte Problem sind definitiv die Sitzungswochen", sagt auch sie. Ihre kleine zweijährige Tochter nimmt sie dann oft mit nach Berlin, während ihr vier Jahre alter Sohn bei seinem Vater bleibt. Um Abstriche, sagt Skudelny, komme man nicht herum. "An Abendsitzungen kann ich meistens nicht teilnehmen - dafür kann ich aber dann zu Hause, wenn meine Tochter schläft, Büroarbeit erledigen." Im Herbst 2009 sorgte die junge Mutter für einen kleinen Eklat. Am Tag der konstituierenden Sitzung nach der Bundestagswahl trug Skudelny ihre Tochter, damals vier Monate alt, in einem Tragegurt vor dem Bauch in den Plenarsaal - und wurde abgewiesen. Das Argument des Saaldieners: Das Baby sei kein gewähltes Mitglied des Bundestags. "Ich war damals gerade erst wenige Wochen Abgeordnete, hatte noch kein Büro und habe im Hotel gewohnt. Ich hätte sie da unmöglich alleine lassen können", sagt Skudelny. Es war der damalige Parteichef Guido Westerwelle, der sie kurzerhand mit reinnahm und einen Präzedenzfall schuf. Heute können Abgeordnete ihre Kleinkinder in Ausnahmefällen mit ins Plenum nehmen. "Die Kinderfreundlichkeit des Bundestages ist sehr begrenzt", sagt die 35-Jährige. Auch Özoguz sieht es so. "Der Politikerberuf ist definitiv nicht aufs Muttersein ausgelegt."

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Für Kristina Schröder dürfte neben dem Zeitproblem noch ein anderes hinzukommen. Als Ministerin steht sie besonders im Fokus - und so prima alle ihre Schwangerschaft am Anfang fanden, so sehr müssen sie jetzt damit leben, dass die junge CDU-Politikerin das traditionelle Familienbild über Bord wirft, in dem sich die Mutter um den Nachwuchs kümmert und der Vater das Geld ranschafft. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die Anfang 2011 ebenfalls zum ersten Mal Mutter geworden ist, berichtete sogar von offenen Anfeindungen, als sie gleich nach dem Mutterschutz an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte: Einen "Egotrip" hielt man ihr in Briefen und Mails vor. Doch die Gefahr lauert auch andersherum: Bei einem Fehler könnte gleich der Verdacht im Raum stehen, die doppelte Belastung sei dann doch zu viel. Die Herausforderung gilt auch bei Nichtpolitikerinnen: Kind und Job dürfen nicht vernachlässigt werden.

Dass das eine Herkulesaufgabe sein kann, weiß auch Özoguz. "Man steckt schon in einem Dilemma", sagt sie. "Ich habe immer das Gefühl, mich mehr anstrengen zu müssen als andere, damit mir niemand vorwerfen kann, wegen meiner Tochter meine Arbeit zu vernachlässigen." Wenn Hanna Geburtstag hat, nimmt sich Özoguz jedoch grundsätzlich immer frei - egal, was andere denken. "Dieser Tag ist mir heilig", stellt sie klar. "Eine Ausnahme von dieser Regel würde ich allerhöchstens dann machen, wenn der Bundespräsident gewählt wird."