Eineinhalb Jahre nach der Loveparade-Tragödie wird Stadtoberhaupt Adolf Sauerland abgewählt. 140.000 Wähler stimmten für sein Ausscheiden.

Duisburg. Er wurde nach der Loveparade beschimpft, bedroht und bei einer Rede mit Ketchup übergossen. Doch Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) machte einfach immer weiter. Jetzt setzten die Wähler dem 56-Jährigen in einem seltenen Akt breiter Bürgerempörung den Stuhl vor die Tür. Die SPD jubelt. Der CDU-Mann an der Spitze der Industriestadt war ihr seit seiner Wahl 2004 immer ein Dorn im Auge.

Die Abfuhr für Sauerland fiel deutlicher aus, als selbst die kühnsten Betreiber der Abwahl erwartet hatten. Knapp 130.000 Wähler stimmten für sein sofortiges Ausscheiden aus dem Amt - fast 40.000 mehr als nötig. Als Stadtdirektor Peter Greulich das Ergebnis im Foyer des Rathauses bekannt gab, brach im Lager der Sauerland-Gegner lauter Jubel aus.

+++ 79.000 Duisburger wollen die Abwahl von Sauerland +++
+++ Duisburg: Stadt der Trauer +++

Eine halbe Stunde später trat ein sichtlich bewegter Sauerland vor die Presse. "Ich war gern Oberbürgermeister mit Herzblut und Leidenschaft", sagte er mit belegter Stimme. "Ich hoffe, dass die politischen Parteien jetzt die Kraft haben, aufeinander zuzugehen."

Als einer der Sieger des Tages präsentierte sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger, der auch SPD-Chef in Duisburg ist. Er kam schon lange vor der Bekanntgabe des Ergebnisses in den Rathaussaal und gab bereitwillig Interviews. Die Stadt brauche ein klares Ergebnis, um von ihrer Fixierung auf das Unglück wegzukommen, sagte er. Viele Duisburger spürten immer noch Scham und Verärgerung, weil Sauerland sich fast ein Jahr nicht für die Katastrophe entschuldigt habe. In der Landeshauptstadt Düsseldorf hat Jäger selbst mit dem Thema Loveparade zu kämpfen. Dort werfen ihm CDU und FDP vor, für Fehler beim Polizeieinsatz verantwortlich zu sein.

Sauerland - mit seiner hemdsärmeligen Art einst sehr beliebt in Duisburg - hat die Quittung dafür bekommen, dass er mit der Loveparade-Katastrophe 2010 nicht fertig geworden war. Nach dem Unglück war die Stadt wie betäubt, doch ihr erster Bürger fand keine Worte des Trostes. So wurde der klein gewachsene Mann mit dem sauber geschorenen Kinnbart medial und in den Köpfen vieler Duisburger zum Gesicht der Katastrophe und die Forderung nach seinem Rücktritt zum Politikum, das die Stadt zunehmend spaltete. Sauerland verschanzte sich hinter einem Juristengutachten, das der Stadt bei der Genehmigung korrektes Verhalten bescheinigte. Nur eins tat Sauerland nicht oder viel zu spät: eigene Verantwortung klar zugeben und sich bei seiner Stadt und vor allem den Opfern und Angehörigen entschuldigen.

Das Grauen des Unglücks vom 24. Juli 2010 ist in Duisburg lange nicht vergessen. Der enge Straßentunnel, an dem Hunderte Menschen um ihr Leben kämpften und 21 zerdrückt oder niedergetrampelt wurden, ist viel befahren. Zahlreiche Duisburger müssen hier jeden Tag durch und spüren immer wieder einen Teil des Schreckens.

Nach der Entscheidung versammelten sich vor dem Rathaus mehrere Hundert Bürger, jubelten, schwenkten Fahnen und entzündeten ein kleines Freudenfeuerwerk. "Ein guter Tag, viel besser als bei den beiden letzten Wahlen", sagte SPD-Geschäftsführer Jörg Lorenz. Die hatte die SPD gegen Sauerland verloren. Einen Kandidaten für seine Nachfolge will die SPD nicht strikt nach Parteibuch auswählen. "Wir brauchen jetzt einen, der die Gräben zuschüttet", hieß es aus der SPD-Fraktion.

Formell bleibt Sauerland noch bis zum Mittwoch im Amt. Dann stellt der Wahlausschuss seine Niederlage endgültig fest. Der Oberbürgermeister hat sich am Sonntag schon mit den Worten "Gott schütze die Stadt Duisburg" verabschiedet.