Die doppelte Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht auf kommunaler Ebene bedürften besonders einer neuen rechtlichen Regelung.

Hamburg/Berlin. Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) hat gemeinsam mit seinen Kollegen aus Hamburg und Berlin den am Dienstag beim Integrationsgipfel in Berlin vorgestellten Nationalen Aktionsplan begrüßt. Der Aktionsplan spiegele die großen Anstrengungen für mehr Integration im Bund, in den Ländern und den Kommunen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Gleichzeitig fordern die Minister Reformen beim Einbürgerungsrecht.

So müsse die sogenannte Optionspflicht beim Staatsbürgerschaftsrecht abgeschafft werden. Junge Menschen sollten ihre bei der Geburt erworbene doppelte Staatsangehörigkeit dauerhaft behalten können, erklärte Schneider.

Neben dem Staatsangehörigkeitsrecht müsse auch das Wahlrecht für Ausländer geändert werden. Nötig sei ein Wahlrecht für alle in Deutschland lebenden Ausländer auf Kommunalebene, hieß es. Auch müsse der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im Öffentlichen Dienst gesteigert werden.

In Berlin hatte zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den fünften Integrationsgipfel eröffnet. Die rund 120 Teilnehmer wollen einen Aktionsplan für eine bessere Eingliederung der rund 16 Millionen Migranten in Deutschland verabschieden. „Der Aktionsplan enthält sehr konkrete, verbindliche Zielsetzungen, Maßnahmen und Zeiträume“, sagte die Bundes-Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) vor dem Treffen dem Fernsehsender Phoenix. Vom Integrationsgipfel solle ein klares Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausgehen. Die Opposition kritisierte das Treffen als Symbolpolitik.

Der erste Integrationsgipfel fand 2006 statt. Zu den Teilnehmern gehören Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden sowie Migrantenverbände, Gewerkschaften, Wirtschaftsvertreter, Wohlfahrtsorganisationen und Kirchen.

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Unterdessen wurde groß angelegter Betrug mit staatlich geförderten Integrationskursen bekannt: Die Staatsanwaltschaft Dortmund und das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen ermitteln gegen einen Kursanbieter im Ruhrgebiet. Die Staatsanwaltschaft bestätigte am Dienstag einen Bericht des ARD-Magazins „Report Mainz“.

Es seien auch Schüler aufgeflogen, die mit illegal erworbenen Prüfungsbescheinigungen einen Einbürgerungsantrag gestellt hätten, sagte Oberstaatsanwältin Ina Holznagel. In einem Wuppertaler Fall konnte ein Bewerber bei der Verleihung der Einbürgerungsurkunde nicht einmal die deutsche Eidesformel sprechen.

Kursteilnehmer, die anderswo in Deutschland durchgefallen waren, sollen gezielt an die Schule vermittelt worden sein. Gegen Zahlung von ein paar 100 Euro seien die Sprachprüfungen manipuliert worden. Die beiden Betreiber der Sprachschule mit Filialen in Lünen, Hagen und Wuppertal, zwei Deutsch-Türken, sollen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auch mehr Teilnehmer abgerechnet haben, als in den Kursen tatsächlich anwesend waren.

Insgesamt wird das Verfahren derzeit gegen zehn Beschuldigte geführt. Mindestens 96 Kursteilnehmer stehen bislang im Verdacht, ein Sprachzertifikat auf irregulärem Weg erlangt zu haben.

Das BAMF, das in die Ermittlungen einbezogen war, hat bei weitergehenden Überprüfungen von Teilnehmerlisten nach eigenen Angaben keine weiteren Verfehlungen entdeckt. Der Fall im Ruhrgebiet sei der einzig bekannte.

Stichwort: Integrationsgipfel

Angesichts der erschreckend schwachen Schulleistungen ausländischer Schüler lud Bundeskanzlerin Angela Merkel 2006 erstmals zu einem Integrationsgipfel ins Kanzleramt ein. Am Runden Tisch treffen sich seither alle ein bis zwei Jahre mehr als hundert Vertreter der Politik, der Migrantenverbände, der Medien sowie des Sports, der Wirtschaft und der Gewerkschaften.

Schon auf dem zweiten Gipfel im Juli 2007 wurde ein Nationales Integrationsprogramm mit 400 Selbstverpflichtungen verabschiedet. Der dritte Gipfel im Jahr 2008 formulierte das Ziel, den hohen Anteil von rund 13 Prozent Schulabbrechern unter den Migranten zumindest auf die Quote von sechs Prozent der deutschen Schüler zu senken. Beim vierten Treffen Ende 2010 diskutierte das Plenum vor allem über die Integrationskurse des Bundes, die Sprachförderung in Kindergärten und die individuelle Förderung von Zuwanderer-Kindern in den Schulen.

Aktuell geht es vor allem um die Konkretisierung bestehender Vorhaben. An diesem Dienstag sollte auf dem fünften Gipfeltreffen dazu ein „Aktionsplan“ verabschiedet werden, der Integrationsziele klar vorgibt und diese überprüfbar und messbar macht. Inhaltliche Schwerpunkte waren die Sprachförderung, der geringe Migrantenanteil im öffentlichen Dienst sowie das bürgerschaftliche Engagement und die Medien.

Teilnehmer des fünften Integrationsgipfels

Mehr als hundert Teilnehmer stehen auf der Gästeliste des fünften Integrationsgipfels im Berliner Kanzleramt. Dazu gehören unter anderem:

– Die Unions-Minister Hans-Peter Friedrich (Inneres), Annette Schavan (Bildung) und Kristina Schröder (Familie) sowie Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

– Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland

– Sidar Demirdögen, Bundesverband der Migrantinnen

– Bekir Alboga, Dialogbeauftragter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion

– Konstantinos Dimitriou, Vorsitzender des Verbandes Griechischer Gemeinden

– Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland

– Barbara John, Ombudsfrau für die Opfer und Opferangehörigen der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle

– Manfred Schmidt, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

– Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)

– Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA)

– Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrates

– Maria-Elisabeth Brouwers, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats

– Hubert Burda, Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger

– Bernhard Witthaut, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei

– Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball (dpa/dapd/epd)