Bislang wird der Anteil von Zugewanderten in den Behörden laut Mikrozensus auf 9,9 Prozent taxiert. Eine Quote lehnt Maria Böhmer (CDU) ab.

Berlin. Senol Kahveci ist Feuerwehrmann. Schon als Kind wollte er diesen Beruf ergreifen, damals, als er 1979 im Alter von sechs Jahren mit seiner Mutter aus der Türkei nach Hamburg kam. Heute arbeitet der Hauptbrandmeister in der Einsatzzentrale in Hammerbrook. Und er ist auf Anzeigen und Plakaten zu sehen, mit denen die Bundesregierung mehr Menschen wie ihn in den öffentlichen Dienst holen will. "Meine Stadt. Mein Land. Meine Aufgabe" ist darauf zu lesen. Kahveci, mit Helm und in voller Montur, lächelt freundlich in die Kamera.

"Im öffentlichen Dienst gibt es noch viel zu wenig Migranten", sagt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). "Jeder Fünfte in Deutschland hat ausländische Wurzeln - das muss sich auch bei Polizei, Feuerwehr, Lehrern oder in der Verwaltung widerspiegeln." Bislang wird der Anteil von Zugewanderten in den Behörden laut Mikrozensus auf 9,9 Prozent taxiert und ist in den vergangenen fünf Jahren offenbar sogar leicht zurückgegangen - und das, obwohl Bund und Länder längst vereinbart hatten, sich um mehr Zuwanderer für den öffentlichen Dienst zu bemühen. Erstmals wird das Thema deshalb jetzt in den Nationalen Aktionsplan Integration aufgenommen, der heute beim bereits fünften Integrationsgipfel im Kanzleramt vorgestellt wird.

Zu den mehr als 100 Teilnehmern gehören Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden sowie Migrantenverbände, Gewerkschaften, Wirtschaftsvertreter, Wohlfahrtsorganisationen und Kirchen. Sie kommen zusammen, um dieses Mal klar definierte Ziele, Indikatoren und einen Erfüllungszeitraum zu vereinbaren. Denn noch immer gibt es viel Nachholbedarf beim Zusammenleben der deutschen und der zugewanderten Menschen. "Der Integrationsgipfel soll ein Zeichen für das Miteinander in unserem Land sein", sagte Böhmer. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Gipfel 2006 erstmals einberufen, um für Menschen mit ausländischen Wurzeln eine bessere Teilhabe an der Gesellschaft zu eröffnen.

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Wie bei den vorangegangenen Integrationsgipfeln gibt es auch jetzt viel Kritik: "Der Integrationsgipfel war vor einigen Jahren ein wichtiges Signal. Mittlerweile aber ist dieses Symbol verblasst", sagte die Hamburger Bundestagsabgeordnete und Vize-Vorsitzende der SPD, Aydan Özoguz, dem Abendblatt. Sie sieht vor allem die Kanzlerin in der Pflicht. "Wenn sie es ernst meint mit der Integration, dann muss sie stärkere Botschaften nach außen tragen. Beim Anteil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im öffentlichen Dienst muss Merkel bei den Ländern und Kommunen mehr Engagement einfordern." Stattdessen laufe die Politik der Regierung gegen die Interessen der Zuwanderer und ihrer Kinder, kritisiert Özoguz.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) spricht von "eklatanten Lücken" im Aktionsplan. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach beklagt: "Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit werden unverhältnismäßig oft in prekäre und schlecht bezahlte Jobs abgedrängt." In der Gastronomie etwa ist der Anteil der ausländischen Beschäftigten laut DGB mit 22 Prozent überproportional hoch.

Auch hier setzt die Initiative für mehr Migranten im öffentlichen Dienst an. "Ich erwarte von den Behörden, dass sie diese Aufgabe gezielt angehen", sagt die Integrationsbeauftragte Böhmer. Eine Quote soll allerdings nicht vereinbart werden. Im Aktionsplan ist lediglich von einer "Erhöhung" des Anteils die Rede. "Eine Quote ist nicht der richtige Weg", meint Böhmer. Schon vor einiger Zeit ist sie von dieser Forderung abgerückt, nachdem sie für den Quoten-Vorstoß heftig kritisiert wurde. Weil die Behörden aus Gründen des Datenschutzes keine Auskunft über die Abstammung ihrer Bediensteten geben, ist eine genaue Bezifferung noch nicht möglich. Die 9,9 Prozent aus dem Mikrozensus sind lediglich ein Richtwert. Eine Arbeitsgruppe soll deshalb nun einen Bericht über die Erhebungsmöglichkeiten vorlegen. Erst wenn es genaue Zahlen gibt, wolle Böhmer wieder über eine Quote reden.

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Neben der Kampagne mit dem Hamburger Feuerwehrmann Kahveci nennt der Aktionsplan Integration auch die direkte Ansprache von Migranten in Stellenausschreibungen als Ziel. Zudem sollen Personalchefs sensibilisiert werden: "Ihnen muss klar werden, dass Migranten besondere Kenntnisse wie Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenzen mitbringen", so Böhmer.

Von anonymisierten Bewerbungen, wie sie in der Vergangenheit häufiger diskutiert wurden, hält sie nichts. "Ich glaube nicht, dass dies sinnvoll ist. Das würde den Migrantenanteil nicht erhöhen", sagte Böhmer. "Wir wollen bewusst auf Vielfalt setzen und deshalb wissen, wer sich bewirbt."

Bei Feuerwehrmann Kahveci steht das Handy nicht mehr still, seit sein Gesicht in den Anzeigen zu sehen war. Er bekommt viel Zuspruch von Freunden und Kollegen. "Ich habe den Eindruck, dass viele Zuwanderer gar nicht wissen, was sie können und dürfen. Manche denken, dass sie nur mit deutschem Pass arbeiten können. Durch die Kampagne sehen sie, dass es anders ist."