Um 16 Millionen Migranten und ihre Integration geht es im Kanzleramt. Auch der Vorschlag des Kommunalwahlrechts für Ausländer wurde laut.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Dienstag den fünften Integrationsgipfel eröffnet. Die rund 120 Teilnehmer wollen einen Aktionsplan für eine bessere Eingliederung der rund 16 Millionen Migranten in Deutschland verabschieden. „Der Aktionsplan enthält sehr konkrete, verbindliche Zielsetzungen, Maßnahmen und Zeiträume“, sagte die Bundes-Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) vor dem Treffen dem Fernsehsender Phoenix. Die Opposition kritisierte das Treffen als Symbolpolitik.

Böhmer sagte, vom Integrationsgipfel solle ein klares Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausgehen. „Mit Integration bilden wir das Gegengewicht gegen solche fremdendenfeindlichen Tendenzen“, sagte sie mit Blick auf die im November aufgedeckte Mordserie von Neonazis an Migranten.

Die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sagte im Südwestrundfunk, es werde zu oft nur auf die Defizite der Migranten, nicht aber auf die der Mehrheitsgesellschaft geschaut. Änderungsbedarf gebe es bei rechtlichen Regelungen: So müsse etwa die Optionspflicht bei hier geborenen Kindern mit Eltern aus Nicht-EU-Staaten gestrichen werden.

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Der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Memet Kilic, kritisierte das Treffen als „symbolisches Kaffeekränzchen“. Er forderte eine Ausweitung des Kommunalwahlrechts auf Nicht-EU-Bürger und eine Aufhebung der aus seiner Sicht hohen Einbürgerungshürden. Auch die Berliner Senatorin Dilek Kolat (SPD) hat gesetzliche Konsequenzen gefordert. Der nationale Aktionsplan spiegele zwar „die großen Anstrengungen für mehr Integration“ wider, mache aber vor gesetzlichen Änderungen Halt, kritisierte sie in einer gemeinsamen Mitteilung der Länder Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hamburg.

Die Integrationsminister der Länder forderten den Bund auf, das Aufenthalts- und Einbürgerungsrecht zu modernisieren. „Angesichts der demografischen Entwicklung in unseren Städten brauchen wir endlich ein Wahlrecht für alle hier lebenden Ausländer auf Kommunalebene“, erklärte Kolat.

Die Parteivorstandsmitglieder der Linken, Ali Al Dailami und Katina Schubert, forderten ein Grundrecht auf Asyl und eine umfassende Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Außerdem sei angesichts der Neonazi-Mordserie ein Aktionsplan gegen Rassismus notwendig.

Der Deutsche Caritasverband bemängelte, dass die Kinderrechte ausländischen Kindern oder deutschen Kindern mit ausländischen Eltern nicht im vollen Umfang zugestanden würden. So würden zum Beispiel ausländische Minderjährige im Asyl- und Ausländerrecht bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahres wie Erwachsene behandelt.

Das Bundesinnenministerium kündigte am Rande des Gipfels Initiativen für mehr Integration an. Mit der neuen Internetseite www.wir-sind-bund.de solle insbesondere bei Jugendlichen das Interesse am öffentlichen Dienst geweckt werden, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Am Freitag will Friedrich überdies eine bundesweite Motivationskampagne starten, um Eltern mit Migrationshintergrund zur Teilnahme an Integrationskursen zu motivieren.

Der erste Integrationsgipfel fand 2006 statt. Zu den Teilnehmern gehören Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden sowie Migrantenverbände, Gewerkschaften, Wirtschaftsvertreter, Wohlfahrtsorganisationen und Kirchen.

Stichwort: Integrationsgipfel

Angesichts der erschreckend schwachen Schulleistungen ausländischer Schüler lud Bundeskanzlerin Angela Merkel 2006 erstmals zu einem Integrationsgipfel ins Kanzleramt ein. Am Runden Tisch treffen sich seither alle ein bis zwei Jahre mehr als hundert Vertreter der Politik, der Migrantenverbände, der Medien sowie des Sports, der Wirtschaft und der Gewerkschaften.

Schon auf dem zweiten Gipfel im Juli 2007 wurde ein Nationales Integrationsprogramm mit 400 Selbstverpflichtungen verabschiedet. Der dritte Gipfel im Jahr 2008 formulierte das Ziel, den hohen Anteil von rund 13 Prozent Schulabbrechern unter den Migranten zumindest auf die Quote von sechs Prozent der deutschen Schüler zu senken. Beim vierten Treffen Ende 2010 diskutierte das Plenum vor allem über die Integrationskurse des Bundes, die Sprachförderung in Kindergärten und die individuelle Förderung von Zuwanderer-Kindern in den Schulen.

Aktuell geht es vor allem um die Konkretisierung bestehender Vorhaben. An diesem Dienstag sollte auf dem fünften Gipfeltreffen dazu ein „Aktionsplan“ verabschiedet werden, der Integrationsziele klar vorgibt und diese überprüfbar und messbar macht. Inhaltliche Schwerpunkte waren die Sprachförderung, der geringe Migrantenanteil im öffentlichen Dienst sowie das bürgerschaftliche Engagement und die Medien.

Teilnehmer des fünften Integrationsgipfels

Mehr als hundert Teilnehmer stehen auf der Gästeliste des fünften Integrationsgipfels im Berliner Kanzleramt. Dazu gehören unter anderem:

– Die Unions-Minister Hans-Peter Friedrich (Inneres), Annette Schavan (Bildung) und Kristina Schröder (Familie) sowie Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

– Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland

– Sidar Demirdögen, Bundesverband der Migrantinnen

– Bekir Alboga, Dialogbeauftragter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion

– Konstantinos Dimitriou, Vorsitzender des Verbandes Griechischer Gemeinden

– Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland

– Barbara John, Ombudsfrau für die Opfer und Opferangehörigen der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle

– Manfred Schmidt, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

– Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)

– Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA)

– Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrates

– Maria-Elisabeth Brouwers, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats

– Hubert Burda, Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger

– Bernhard Witthaut, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei

– Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball (dpa/dapd)