Zu den Neonazis zählen nicht nur Glatzköpfe in Springerstiefeln. Die Frauen in der rechtsextremen Szene haben immer größeren Einfluss

Hannover. Ricarda Riefling sagt, dass sie Ulrike Meinhof bewundere. Sie lächelt kurz, lässt die Worte einen Moment lang wirken. Sie weiß, dass diese Aussage irritiert, und schiebt schnell ein paar Sätze nach. Nicht die RAF-Terroristin Meinhof finde sie bewundernswert, sondern die Aktivistin Meinhof mit ihren "Überzeugungen", weil sie "Dinge angeprangert" und "öffentlich" gemacht habe. Riefling hat sich ein Zitat von Meinhof eingeprägt: "Wirft man einen Stein, so ist das eine strafbare Handlung. Werden tausend Steine geworfen, ist das eine politische Aktion." Sie lehne Gewalt ab, sagt Riefling. Aber diese Gewalt der Worte fasziniert sie.

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Ricarda Riefling ist eine der mächtigsten Frauen in der rechtsextremen NPD, sie sitzt seit diesem Herbst im Bundesvorstand der Partei, sie ist ihre familienpolitische Sprecherin. Und Riefling sagt Sätze wie diesen: "Deutschland braucht deutsche Kinder." Deshalb habe sie noch ein Problem mit Ulrike Meinhof: "Sie hat ihre Kinder fallen gelassen, damit stimme ich überhaupt nicht überein."

Ihre Worte passen wieder zu ihrer Rolle: Riefling warnt vor Überfremdung, sie sieht in Ausländern vor allem eine Bedrohung für das "deutsche Volk". Ihre Partei sieht in der Integration einen "Völkermord". Riefling ist noch keine 30, verheiratet mit einem vorbestraften Neonazi. Sie hat vier Kinder. Und eine extreme Gesinnung. Sie selbst nennt es Weltanschauung, das klinge nicht so starr.

Nach den zehn Morden, mutmaßlich begangen durch die sogenannte Zwickauer Zelle, führt Deutschland eine Debatte über den Rechtsextremismus. Vieles muss aufgearbeitet werden - auch die Rolle der Frauen in der rechten Szene. War Beate Zschäpe nur Geliebte zweier rechtsradikaler Männer? Oder war sie bei den Morden die führende Figur des Trios aus Thüringen? Welche Verbindungen hatte sie zur NPD? Es existiere in Deutschland weiterhin auch das Bild der produktiven Frau, sagt die Professorin Michaela Köttig, die an der Fachhochschule in Frankfurt/Main über Frauen und rechte Gewalt forscht. "Eine rechtsextreme Frau, die Gewalt ausübt und sich destruktiv verhält, passt nicht in dieses Bild." Deutschland verharmlose die Rolle der Frau in der rechten Szene.

Schon immer in der Geschichte der Bundesrepublik gab es auch weibliche Neonazis. Der Anteil der Frauen in der rechten Szene liegt inzwischen bei etwa 20 Prozent. Jede Zehnte von ihnen ist nach Angaben des Forschungsnetzwerkes "Frauen und Rechtsextremismus" gewalttätig oder gewaltbereit. Ihr Hass richtet sich wie bei rechtsextremen Männern vor allem gegen Migranten, Schwule oder Obdachlose. Seit ein paar Wochen weiß man, dass zumindest eine Frau auch im Untergrund agierte.

Ricarda Riefling lebt nicht im Untergrund. Im Gegenteil. Der neue Bundesvorsitzende der NPD, Holger Apfel, holte Riefling an die Spitze der Partei. Sie trägt einen langen grauen Strickpullover, darunter ein weißes Hemd, die blonden Haare sind zu einem Pferdeschwanz gebunden, Riefling lächelt oft. Seit einigen Jahren versucht die NPD, ihren ausländerfeindlichen Parolen ein nettes Gesicht zu verpassen. "Neonazis in Nadelsteifen" nennen die Autoren Andrea Röpke und Andreas Speit diese Strategie der Partei treffend: weg vom Bild des Skinheads mit Bomberjacke und Baseballschläger hin zum Bild des Bürgers von nebenan. Der inhumane Wahn einer "homogenen Volksgemeinschaft" bleibt derselbe. Die Innenminister beschreiben die Ideologie der NPD als menschenverachtend, antidemokratisch und antisemitisch.

Mit 14 Jahren gehört Ricarda Riefling noch zur Skinheadszene, geht auf "Rechtsrock"-Konzerte und feiert mit ihren Freunden aus der Szene. 1997 reist sie nach Dänemark und läuft dort zum ersten Mal beim Gedenkmarsch für Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß mit. Sie sei damals Demo-Touristin gewesen, sagt Riefling. Dass sie Gewalt in den Kameradschaften erlebt hat, streitet sie ab. Nur einmal habe sie einen Stein auf einer Demonstration geworfen. "Zurückgeworfen", sagt sie.

Riefling schließt ihr Abitur mit der Note 1,5 ab, macht eine Ausbildung zur Sozialassistentin und beginnt zu studieren. Ihre politische Heimat findet sie im Ring Nationaler Frauen, dem RNF, einer Unterorganisation der NPD. Das Motto lautet: "antifeministisch, traditionsbewusst und volkstreu".

Riefling bekennt sich zur "Mehrmutterschaft". Ihre Forderungen sind ein Gemisch aus Überzeugung, kalkulierter Verharmlosung ihrer extremen Positionen und hohlen Phrasen. Erziehung, sagt Riefling sei Sache der Mutter, das habe die Natur so gewollt. "Sonst wären wir ja Schnecken geworden." So einfach ist ihre Welt manchmal.

Rechte Frauen wie Riefling möchten nicht bloß die "Freundin eines Kameraden" sein, sondern auch auf der Straße, in Kommunen und Vereinen als Teil der "kämpfenden Front" anerkannt werden, schreiben die Autoren Röpke und Speit in ihrem Buch "Mädelsache". Die Emanzipation sei auch an der extremen Rechten nicht vorbeigegangen, "obwohl die völkische Ideologie grundlegend anti-emanzipatorisch und alles andere als allgemein herrschaftskritisch ist", sagt die promovierte Historikerin Cordelia Heß, die sich auch im Forschungsnetzwerk "Frauen und Rechtsextremismus" engagiert. "Rechte Frauen nehmen oft grundlegende von Feministinnen erstrittene Rechte für sich in Anspruch", sagt sie. Sie propagieren das Muttersein, aber machen Karriere. Sie fordern für sich sexuelle Selbsbestimmung ein, aber wettern gegen Frauen, die verhüten. Zwischen ihrem wahren Leben und ihren rechten Parolen liegen nicht selten Welten.

Nicht nur in der NPD gewinnen sie an Einfluss. Auch in "Freien Kameradschaften" und bei "Autonomen Nationalisten" mischen junge Frauen mit - radikal und oft gewaltbereit. "Todesstrafe für Kinderschänder" steht auf ihren Plakaten bei Demonstrationen oder: "Müttergehalt statt Elterngeld". Gleichzeitig zeigen sich rechte Frauen als hilfsbereite Nachbarn. In Gemeinden seien sie häufig diejenigen, die freundlich das Gespräch suchen und über Streichungen bei den kommunalen Angeboten reden wollen, schreiben Röpke und Speit. Auch Riefling engagierte sich in ihrem Wohnort nahe Hildesheim im Verein, fuhr Kinder zum Schwimmunterricht und betreute sie dort, bis deren Eltern aus den Medien von Rieflings Gesinnung erfuhren.

Die mutmaßlichen Morde des selbst ernannten "Nationalsozialistischen Untergrunds" lehnt Riefling ab. "Verbrecher" nennt sie Frauen wie Beate Zschäpe. Ihre Stimme wird lauter, sie schiebt Distanz zwischen sich, ihrer Partei und die Morde der Zwickauer Zelle. Sie selbst sei keine Rassistin, sagt sie. Riefling weiß, dass in der Debatte um ein Verbot der NPD jede Nähe zu Gewalt, jede Äußerung außerhalb der rechtlichen Grenzen Folgen für die Partei haben könnte. Sie kennt die Argumentationslinien der NPD. Riefling ist weit entfernt vom Klischee des dumpfen Einpeitschers.

Experten beklagen, dass Schulen und Firmen für Rechtsradikale wenig sensibel sind. Denn Frauen in der rechtsextremen Szene wählen ihre Berufsziele mit politischem Kalkül aus. Sie werden Juristinnen, um angeblich unschuldige "Kameraden" freizuklagen. Sie werden Historikerinnen, um das Bild über die NS-Zeit zu beeinflussen. Sie werden Erzieherinnen, um die rechte Ideologie schon im Kindergarten zu verbreiten. Oder sie werden Menschenfängerinnen wie Ricarda Riefling.