„Alles kann importiert werden, von Getränken über Schuhe bis zu Kleidern.“ Außenminister Westerwelle verlangt komplette Öffnung.

Jerusalem/Berlin. Israel hat erstmals seit drei Jahren die Blockade des Gazastreifens spürbar gelockert. Eine israelische Armeesprecherin teilte mit, es seien 150 Lastwagen mit bislang verbotenen Gütern in das Palästinensergebiet gelassen worden. Innerhalb der nächsten zwei Wochen solle der Warenverkehr täglich um etwa 30 Prozent wachsen. Ziel seien 400 Lastwagen täglich.

„Alles kann in den Gazastreifen importiert werden, von Getränken über Schuhe bis zu Kleidern“, sagte die israelische Armeesprecherin weiter. Baumaterialien wie Zement und Eisen dürften allerdings nur unter internationaler Aufsicht in den Gazastreifen gebracht werden. Damit solle ein Missbrauch durch die dort herrschende radikal- islamische Hamas verhindert werden.

Unklar war am Montag noch, wie weit die Öffnung des Gazastreifens geht. Ein israelischer Regierungsmitarbeiter sagte, Entscheidungen zu Exporten aus dem Gazastreifen und möglichen Reiseerlaubnissen für palästinensische Geschäftsleute müssten noch gefällt werden.

Internationale Hilfsorganisationen verlangen eine vollständige Aufhebung der Blockade, damit auch die Wirtschaft in dem kleinen Palästinensergebiet am Mittelmeer wieder in Schwung kommt.

Der Europarat, die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der Sondergesandte des Nahost-Quartetts, Tony Blair, begrüßten die israelische Entscheidung. Israels Oppositionsführerin Zipi Livni kritisierte sie hingegen scharf, weil sie der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Organisation Legitimität verleihe. Auch Noam Schalit, Vater des vor vier Jahren entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit, zeigte sich wenig erbaut.

Nach Misstönen am Wochenende setzte der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel am Montag seinen Besuch in Israel fort. Der FDP-Politiker traf in Jerusalem zu einem „sehr freundlichen Gespräch“ mit Staatspräsident Schimon Peres zusammen, hieß es. Niebel hatte sich am Vortag verärgert darüber geäußert, dass Israel ihm die Einreise in den Gazastreifen verweigert hatte.

Die Bundesregierung hat die Entscheidung Israels begrüßt, die Blockade des Gazastreifens weiter zu lockern. Nach dem Einreiseverbot für Entwicklungshilfeminister Niebel nach Gaza war man in Berlin um Schadensbegrenzung bemüht. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, sie sei überzeugt, dass durch eine schnelle und effektive Lieferung von Hilfsgütern und Baumaterial für den Wiederaufbau die Lage der Menschen in dem Gebiet gebessert werden könne, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans.

Vizekanzler und Außenminister Guido Westerwelle ging noch weiter und forderte die vollständige Öffnung des Gazastreifens. Die Lockerung der Blockade sei ein Schritt in die richtige Richtung. „Aber wir vertreten als Deutsche, Europäer und Völkergemeinschaft unverändert die Auffassung, dass der Gazastreifen komplett wieder geöffnet werden muss.“

Israel stand seit Langem unter Druck, die Blockade des Gazastreifens zu lockern. Er war nach dem Angriff auf Schiffe mit Hilfsgütern Ende Mai noch gewachsen. Bei der Militäraktion waren neun türkische Aktivisten getötet worden. US-Präsident Barack Obama hatte deshalb das bereits für den 1. Juni geplante Treffen mit Netanjahu abgesagt.