Christian Wulff ist der Favorit im Rennen um das Präsidentenamt. Doch nun bekommt sein Herausforderer Joachim Gauck Aufwind.

Hamburg. Noch drei Wochen, dann wird der zehnte Bundespräsident gewählt. Es werden spannende Wochen. Bislang war der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) klarer Favorit im Rennen um das höchste Amt im Staat, ausgestattet mit dem Segen der Koalitionsspitzen, gestützt von einer deutlichen schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung, angefeuert von führenden Politikern aus Union und FDP. Doch nun holt der Kandidat der Opposition, Joachim Gauck, im bürgerlichen Lager auf.

Es gebe "keinen Blankoscheck" für Wulff, warnte der sächsische FDP-Landeschef Holger Zastrow, in der "Welt am Sonntag". Der baden-württembergische Fraktionschef der FDP, Hans-Ulrich Rülke, sagte dem Hamburger Abendblatt: "Es könnte bei der Wahl schon eng werden. Wenn man die Kritik aus den verschiedenen FDP-Landesverbänden hört, dann sieht es so aus, als ob nicht alle für Wulff stimmen werden. Wulffs Wahl ist noch nicht durch." Er könne sich Gauck theoretisch als einen Kandidaten fürs bürgerliche Lager vorstellen, sagte Rülke.

Er selbst sei allerdings für Wulff. Wolfgang Kubicki, Fraktionschef der FDP in Schleswig Holstein, sagte dem Abendblatt: "Joachim Gauck ist ein guter Kandidat." Als gemeinsamer Kandidat der Koalition hätte er "deutlich mehr Stimmen bekommen als nur aus dem eigenen schwarz-gelben Lager".

Die Bremer FDP fordert sogar einen eigenen Präsidentschaftskandidaten der Liberalen. "Es war von der Bundes-FDP nicht klug, auf einen eigenen Vorschlag zu verzichten", sagte der Bremer Landesvorsitzende Oliver Möllenstädt dem "Weser-Kurier". Obwohl er dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) die besten Chancen einräumt, die Köhler-Nachfolge anzutreten, sähe er Gauck lieber. "Ich persönlich würde Gauck bevorzugen", sagte Möllenstädt.

Auch Unionspolitiker äußerten sich positiv über Gauck, der sich als DDR-Bürgerrechtler und Beauftragter für die Stasi-Unterlagen einen Namen gemacht hat. Brandenburgs Ex-Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte der "Bild"-Zeitung, die Union habe eine Chance verpasst, mit Gauck einen Kandidaten zu benennen, "der parteiübergreifend akzeptiert wird". Schönbohm will dennoch für Wulff stimmen. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) äußerte sich im Abendblatt positiv über den Herausforderer: "Auch die Opposition hat eine markante Persönlichkeit für die Bundespräsidentenwahl gefunden. Das Lebenswerk von Joachim Gauck ist beeindruckend." Im direkten Vergleich habe er aber keine Zweifel: "Christian Wulff ist der bessere Kandidat. Ich bin überzeugt, dass er von der Bundesversammlung gewählt wird." An Wulff schätze er "seine Persönlichkeit, seine Gradlinigkeit, Standfestigkeit und Ausstrahlungskraft".

In einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" waren 41 Prozent der Bürger für den niedersächsischen Ministerpräsidenten, 32 Prozent sprachen sich für Gauck aus. Online-Umfragen ergaben dagegen eine Mehrheit für Gauck.

Die Parteien wollen bei der Wahl offenbar nichts dem Zufall überlassen. So wollen nach einem Bericht der "Welt am Sonntag" weder Union noch FDP Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben in die Bundesversammlung schicken, da deren Abstimmungsverhalten als unvorhersehbar gilt. So hatte die CSU 2004 Gloria von Thurn und Taxis entsandt, die dann aber für die SPD-Frau Gesine Schwan stimmte. Ehemalige Bürgerrechtler der DDR, die heute in der CDU aktiv sind, sollen auf ihre Gesinnung hinsichtlich der Kandidaten geprüft worden sein. Dabei sei auch ein Satz gefallen, der früher bei der Überprüfung auf eine eventuelle Stasi-Vergangenheit benutzt wurde: "Bist du schon gegauckt worden?"

Noch immer ist nicht abschließend geklärt, wie sich Wulff innerhalb der Koalition als Favorit durchsetzte, nachdem die Regierung mit dem überraschenden Rücktritt von Horst Köhler unter Druck geraten war, möglichst schnell einen Nachfolger zu präsentieren. Noch am Mittwochabend galt Ursula von der Leyen nach übereinstimmenden Agenturmeldungen als Favoritin. Der "Welt" zufolge war Wulff von Angela Merkel (CDU) für Dienstagabend ins Kanzleramt eingeladen worden. Dabei sei ihm die Kandidatur offiziell angetragen worden. Ob er zuvor selbst Ansprüche erhoben hatte, blieb offen. Von der Leyen soll frühestens am Donnerstagnachmittag von der Kanzlerin erfahren haben, dass sie nicht mehr im Rennen sei, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Am Donnerstagabend präsentierte Merkel gemeinsam mit den Parteichefs Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) Wulff als Kandidaten.