Der 70-jährige Gauck wurde nach der Wiedervereinigung erster Chef der Stasi-Unterlagenbehörde. In der DDR war er Oppositioneller.

Berlin. Joachim Gauck mischt sich gern ein. Und er ist „wortmächtig“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel dem früheren DDR- Bürgerrechtler bescheinigt. Als Gauck im Januar 70 Jahre alt wurde, kam die Kanzlerin selbst und und würdigte ihn als „Versöhner, Einheitsstifter und Mahner“. Schon als Pfarrer in Rostock habe er dazu beigetragen, dass aus dem Widerstand gegen die DDR-Diktatur eine Massenbewegung wurde, sagte die CDU-Politikerin. Noch heute erinnern Gaucks tragende Stimme, die ausgewogenen Sätze und die ruhige Art an den früheren Kirchenmann.

Nach der Wiedervereinigung wurde Gauck erster Chef der Stasi- Unterlagen-Behörde, die er bis zum Jahr 2000 leitete. Die Aufarbeitung zu organisieren – ohne Rache an den Stasi-Tätern – war eine gewaltige Aufgabe und historisch ohne Vorbild. Der einstige Oppositionelle hat sich dabei einen bleibenden Namen gemacht. Noch heute sagen manche „Gauck-Behörde“, obwohl die nun seit zehn Jahren von Marianne Birthler geleitet wird. Vergessen werden dürfe nicht, wie die DDR-Staatssicherheit das Volk bespitzelte und Menschen ihre Zukunft nahm, hat er immer wieder gemahnt.

Gaucks große Anliegen sind „Gerechtigkeit in der Gesellschaft“ und die innere Einheit. Er appelliert an die Menschen, sich nicht zurückziehen, sondern aktiv ihre Rechte wahrzunehmen. Er weiß aus bitterer Erfahrung, das Demokratie nicht selbstverständlich ist: „Eine solche Gesellschaft mit Bürgerrechten und Pressefreiheit werde ich immer mit Dankbarkeit und Glück anschauen.“ Er habe in den ersten 50 Jahren seines Lebens auf demokratische Errungenschaften verzichten müssen.

Gauck legt auch öffentlich den Finger in die Wunde: Die Deutschen jammerten lieber, als sich über Erfolge zu freuen. „Deutsche fühlen sich gern schlecht.“ Gegen diese „Verdruss-Süchtigkeit“ wolle er sich auch einsetzen. „Für ein gutes Miteinander braucht es die Erfahrungen der anderen“, sagt er.

Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland. Mit Nachdruck sagt er: „Wir sind gegen Rechtsradikale und andere Feinde der Demokratie.“

Dem stets korrekt gekleideten Gauck fliegen viele Sympathien zu. Als er mit seinem Erinnerungsbuch „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ auf Lesereise war, freute er sich über das Interesse. „Ich habe nur aufmerksame Zuhörer, ich kenne nichts anderes“, sagt der frühere Seelsorger.