Nach ihrem Streit reichen sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Robert Zollitsch heute die Hand.

Berlin. Es sieht aus wie ein Gang nach Canossa. Robert Zollitsch, der mächtigste Mann der Katholischen Kirche in Deutschland, reist eigens aus Freiburg an, um seinen Streit mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) beizulegen. Allerdings wird Zollitsch - anders als Heinrich IV. vor knapp tausend Jahren - nicht drei Tage vor der Burg beziehungsweise vor dem Ministerium in der Berliner Mohrenstraße verbringen müssen, sondern um 13 Uhr gleich vorgelassen werden. Das Treffen soll eine dramatische Krise im Verhältnis von Staat und Kirche offiziell beenden.

Eine Krise, die ausbrach, als quasi täglich neue Missbrauchsmeldungen aus dem Einflussbereich der katholischen Kirche publik wurden und der Eindruck entstand, die Verantwortlichen täten nichts und kämen ihrer Verantwortung für die Opfer nicht nach. Da sagte die Bundesjustizministerin in einem Fernsehinterview, Kindesmissbrauch sei ein Offizialdelikt, und "da können nicht andere darüber entscheiden, ob dieses Delikt verfolgt wird oder nicht". Und dass die katholische Kirche aufhören möge, sich auf interne Richtlinien im Umgang mit pädophilen Straftätern zu berufen. Ab sofort müsse die Staatsanwaltschaft informiert werden! Die Justizministerin nahm dabei Bezug auf die Leitlinie der Deutschen Bischofskonferenz von 2002, wonach die Staatsanwaltschaft lediglich "ggf." und "je nach Sachlage" und erst dann einzubeziehen sei, wenn kircheninterne Untersuchungen den sexuellen Missbrauch "erwiesen" hätten.

Die Reaktion erfolgte prompt. Noch am selben Tag - es war der 23. Februar - schoss Zollitsch zurück. Noch nie habe es in der Politik eine "ähnlich schwerwiegende Attacke auf die katholische Kirche gegeben", empörte sich der Freiburger Erzbischof, und dass er sich "nachdrücklich gegen falsche Tatsachenbehauptungen und maßlose Polemik" verwehre. Dann stellte Zollitsch der Ministerin ein Ultimatum: Sabine Leutheusser solle ihre Äußerungen binnen 24 Stunden zurücknehmen. Das fand sogar die Kanzlerin befremdlich. Es sei "ein wenig ungewöhnlich, einem Mitglied der Bundesregierung eine Frist für eine Antwort zu setzen", sagte Angela Merkel. Und man darf annehmen, dass die Kanzlerin das dem Kirchenmann so oder so ähnlich auch noch einmal persönlich gesagt hat, als sie später mit ihm telefonierte.

Heute soll also ein Schlussstrich gezogen werden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat Zollitsch Anfang März nach Berlin eingeladen, und der Erzbischof hat zugesagt. Zum frühestmöglichen Termin, wie es aus Freiburg etwas kiebig hieß.

Auf den ersten Blick scheinen die beiden nichts gemein zu haben. Die Rechtsanwaltstocher aus Minden und der Donauschwabe, der die weiße Rose aus dem Familienwappen in sein Amtswappen übernahm, als er vor sieben Jahren von Rom zum Erzbischof ernannt wurde. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist evangelisch und studierte in Göttingen und Bielefeld Jura. Der Katholik Robert Zollitsch entschied sich für ein Theologiestudium in Freiburg und München. Sie ist 58, er 71. Immerhin ziehen beide ab und an zum Wandern in die Berge. Und während sie sich daheim in Feldafing gern der Gartenarbeit hingibt, züchtet er wenigstens Kakteen. Eine andere winzige Verbindung lässt sich in Freiburg ausmachen. Das ist die Stadt, in der Zollitsch lebt und wirkt. Und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gehört dem Freiburger Kreis an, einem offenen Forum für Liberale, das sich 1971 gründete.

Der eigentliche Konnex zwischen der Ministerin und dem Bischof liegt allerdings im Politischen. An den liberalen Grundüberzeugungen von "Schnarre", wie sie von Parteifreunden liebevoll genannt wird, kann niemand einen Zweifel haben. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist unter Helmut Kohl bekanntlich schon einmal Justizministerin gewesen und 1995 aus Protest gegen den "Großen Lauschangriff" zurückgetreten. Das hat sie zur Ikone in den Augen derer gemacht, die die Bürgerrechte in Gefahr sehen. Und Robert Zollitsch? Der ist in seiner Kirche auch schon als Liberaler aufgefallen. Zollitsch hat unter anderem gesagt, dass der Zölibat nicht "theologisch notwendig" sei. Und Homosexualität eine Realität. Und dass man der Evangelischen Kirche, anders als Rom meine, nicht absprechen könne, in umfassendem Sinne Kirche zu sein. Kann gut sein, dass der eine oder andere Amtsbruder den Mann mit der 80er-Jahre-Brille deshalb für eine Art Revolutionär hält. Keine schlechte Basis für das heutige Versöhnungstreffen.