Am hessischen Elite-Internat Odenwaldschule und katholischen Einrichtungen kommen immer mehr Missbrauchsfälle ans Licht.

Berlin. Nach Bekanntwerden immer weiterer Missbrauchsfälle an Schulen soll im kommenden Monat ein Runder Tisch zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch gebildet werden. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) lud ein breites Teilnehmerfeld zu einem ersten Treffen am 23. April ein. Die Frage von längeren Verjährungsfristen bei Missbrauch ist offensichtlich auch innerhalb der Bundesregierung umstritten.

Schröder bat zusammen mit Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) zu dem Runden Tisch unter anderem Schul- und Internatsträger, die Katholische und Evangelische Kirche, Familienverbände und Vertreter von Ländern und Kommunen. Das Gremium soll sich damit befassen, welche Art der Hilfe und Unterstützung Opfer benötigen. Zudem soll es Antworten darauf finden, was nach Übergriffen auf Kinder und Jugendliche zu tun ist und wie sich Missbrauch verhindern lässt.

Angesichts der jetzt bekanntgewordenen schrecklichen Ereignisse müsse dringend gehandelt werden, erklärte Schröder. Kindesmissbrauch gebe es in unterschiedlichen Bereichen - etwa in Internaten, in Sportvereinen, aber auch in der Familie. Deshalb wolle sie alle Akteure versammeln, um gemeinsame Strategien zu entwickeln.

Der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, begrüßte den Runden Tisch. Eine Zusammenkunft aller gesellschaftlich relevanten Gruppen sei „sehr hilfreich“, erklärte Ackermann. In den vergangenen Wochen waren vor allem Verdachtsfälle an katholischen Schulen bekannt geworden. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, will am Freitag mit Papst Benedikt XVI. im Vatikan auch über den Missbrauchsskandal sprechen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) äußerte sich derweil skeptisch zu der unter anderem von Schavan erhobenen Forderung nach längeren Verjährungsfristen. Sie glaube nicht, dass längere Fristen das Allheilmittel seien, sagte sie im Deutschlandfunk. Wenn ein Opfer nach 40 oder 50 Jahren an die Öffentlichkeit gehe, nütze auch eine Verlängerung der Verjährungsfrist um zehn Jahre nicht. Es sei ganz schwierig, nach 40 oder 50 Jahren Sachverhalte zu ermitteln.

Schavan hatte sich dagegen am Sonntagabend im ZDF dafür ausgesprochen, die Verjährungsfristen zu verlängern. „Denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass zum Teil erst viele Jahre nach dem Missbrauch gesprochen wird“, sagte die Ministerin. Derzeit beträgt die Verjährungsfrist bei schwerem Kindesmissbrauch 20 Jahre, die allerdings erst mit dem vollendeten 18. Lebensjahr beginnt.

Wegen des Missbrauchsverdachts an einer Reformschule im hessischen Odenwald leitete die Staatsanwaltschaft Darmstadt ein Ermittlungsverfahren ein. Das Verfahren richte sich gegen einen namentlich bekannten und weitere unbekannte ehemalige Lehrer der Odenwaldschule, erklärte die Behörde. Es sei nicht auszuschließen, dass es auch zu Übergriffen auf Schüler gekommen sei, die noch nicht verjährt seien. Ende der 90er Jahre hatte die Behörde ein Verfahren wegen Verjährung eingestellt. Die Vorfälle an der Schule beziehen sich auf die 70er und 80er Jahre.

In Presseberichten war von bis zu 100 Missbrauchsfällen die Rede. Schulleiterin Margarita Kaufmann sagte dazu am Montag, die Schule wisse bislang von 24 Betroffenen. Es könnten aber noch mehr werden. Kaufmann geht von drei Tätern aus, einem früheren Schulleiter und zwei Lehrern.