Bundestagspräsident soll Listen mit den Nebenverdiensten der Abgeordneten ins Netz stellen. Die Frist ist bereits abgelaufen.

Hamburg. Für viele Kritiker innerhalb und außerhalb des Berliner Politikbetriebs war es das Aufregerthema der vergangenen Legislaturperiode: die Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten. Bis zum Bundesverfassungsgericht wurde gestritten. Trotz der Geheimhaltungsanhänger wie Otto Schily (SPD) oder Friedrich Merz (CDU) gilt jetzt: Alle Nebenverdienste aller Abgeordneten müssen in drei Stufen im Handbuch und im Internet veröffentlicht werden: 1000 bis 3500 Euro, 3501 bis 7000 Euro, ab 7001 Euro.

Doch seit der Wahl am 27. September 2009 ist von der gesetzlich gebotenen Offenheit nichts zu spüren. Die ersten Abgeordneten murren. Sie wollen wissen, wer ihrer Kollegen wofür nebenbei kassiert. Rechtsausschuss- Mitglied Christian Ströbele (Grüne) hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) einen Brief geschrieben, der dem Abendblatt vorliegt. Ströbele will wissen, wann Lammert die Listen ins Netz stellt. Vor vier Wochen lief die Frist ab, innerhalb derer die Abgeordneten alles melden mussten.

"Die Liste wird demnächst veröffentlicht", heißt es aus Lammerts Büro. "Die spielen auf Zeit", heißt es unter Abgeordneten.

Viele wollen wissen, wer mit welchen Lobbygruppen verbandelt ist, gegen großes Honorar Vorträge hält. Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency klagt an: "Es ist unklar, warum die Bundestagsverwaltung mehrere Wochen braucht, die Informationen online zu stellen. Ansonsten hat die Website des Bundestages ja den Anspruch, tagesaktuell zu sein", sagte Geschäftsführer Christian Humborg dem Abendblatt. "Über Nebeneinkünfte wollen ja nicht nur die Bürger Bescheid wissen, sondern die Information ist vor allem auch für die Abgeordneten untereinander und die Medien wichtig." Man könne auch peu à peu die Extrahonorare ins Netz stellen.

Nichts passiert. Die verschärften Regeln gelten seit gut vier Jahren. Anwälte wie Otto Schily oder Friedrich Merz beklagten sich, dass sie ja nicht die einzelnen Honorare ihrer Mandanten offenlegen könnten. Doch in den drei Stufen müssen sie das, ohne Namen zu nennen. Das führte in dem Fall der bayerischen SPD-Abgeordneten Anette Kramme dazu, dass sie von 2005 bis 2009 insgesamt 290 Mandanten angab und fast 20-mal Stufe 3. Sehr konservativ kalkuliert hat sie nebenbei 400 000 Euro eingenommen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat als Oppositions-Abgeordneter ebenfalls Hunderttausende nebenher eingestrichen - für Vorträge und Beratung, darunter Hotels und eine Schweizer Bank. Auch Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD) nutzte Nebenjobs für Krankenkassen, Kliniken und die Regierung des Emirats Dubai für sechsstellige Nebeneinkünfte.

Warum Bundestagspräsident Lammert vier Wochen benötigt, um die neuen Zahlen in einem bewährten Verfahren zu veröffentlichen, ist schleierhaft. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Juli 2007 brauchte er nur einen Tag.