Beifall kommt vor allem von der Gewerkschaft der Polizei: Nur mit solchen Mitteln sei richtige Verbrechensbekämpfung möglich.

Berlin. Unmut in den eigenen Reihen, Anfeuerungsrufe von der Opposition und dazu noch die Schweizer "Freunde", die schon empört zu den Barrikaden unterwegs waren: Nein, angenehm war dieser Montag für Angela Merkel (CDU) nicht. Umso erstaunter waren die meisten, als sich die Kanzlerin am Mittag positionierte. Ja, die CD mit den Steuersünder-Daten müsse angekauft werden, meinte Merkel. Wenig später war klar, dass die Kanzlerin bereits mit ihrem Finanzminister telefoniert und Wolfgang Schäuble (CDU) bei seinem weiteren Vorgehen ihre Unterstützung zugesagt hatte.

Die Kanzlerin ist offenbar bereit, eine neue Eiszeit zwischen Berlin und Bern in Kauf zu nehmen. Und die scheint unausweichlich. Der schweizerische Finanzminister Hans-Rudolf Merz hat gestern prompt verkündet, dass die Schweiz gar nicht daran denkt zu kooperieren. Und Thomas Sutter, der Sprecher der Schweizerischen Bankvereinigung, hat sich gestern sogar zu der Bemerkung verstiegen, dass man den vermeintlichen Informanten Herve Falciani augenblicklich "verhaften" und zur Rückgabe der Daten zwingen müsse.

Für die Schweizer muss der gestrige Tag ein schmerzhaftes Déjà-vu gewesen sein. Sie hatten sich ja vor zwei Jahren vergeblich an Peer Steinbrück (SPD) abgearbeitet, dem damaligen Bundesfinanzminister, der entschlossen war, die letzten Steueroasen in Europa auszutrocknen. (Was dem deutschen Fiskus dank des Ankaufs der sogenannten Liechtenstein-Dateien inzwischen rund 180 Millionen Euro in die Kasse gespült hat.) Außenminister Guido Westerwelle (FDP) war deshalb bemüht, nicht noch mehr Feuer ins Öl zu gießen. Als "ein Freund der Schweiz" rief er das Nachbarland dazu auf, bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung mit der Europäischen Union zusammenzuarbeiten. Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, sondern müsse als Straftat verfolgt werden. Dabei dürfe sich der Staat aber nicht zum "Mittäter von Dieben oder von anderen Straftätern machen".

In der Union blieb der Datenkauf umstritten. Während CSU-Chef Horst Seehofer der "Bild"-Zeitung sagte, dass man "alles rechtsstaatlich Mögliche" tun müsse, "um Steuersünder zu identifizieren", lehnte sein Parteifreund Karl-Theodor zu Guttenberg den Daten-Kauf ab. Der amtierende Verteidigungs- und frühere Wirtschaftsminister meinte: "Ich persönlich habe ein Problem damit." Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder hatte bereits am Wochenende erklärt, dass der Staat sich nicht "mit Dieben gemein machen" solle.



Für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist es hingegen "ein Gebot der Gerechtigkeit, diese Steuerdaten zu kaufen". In dieselbe Kerbe schlug Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Grünen. Auf Schweizer Banken lägen 260 Milliarden Schweizer Franken aus Deutschland, sagte Montag. "Und sicher nicht deshalb, weil Schweizer Banken die besseren Zinsen zahlen." Wer den Steuerhinterziehern die Früchte ihrer Straftaten sichere, mache sich deshalb selbst zum Mittäter oder Hehler.

Der Bundesdatenschutz-beauftragte Peter Schaar riet hingegen dringend vom Kauf der CD ab. Der Staat dürfe "nicht mal im Entferntesten" in den Verdacht geraten, selbst als Datenhehler zu agieren, meinte Schaar. Widerspruch kam vom Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek. "Wenn man 1500 Straftäter auf einmal überführen kann, dann muss man diesen Weg gehen, auch wenn er unkonventionell ist", sagte Ondracek auf N24. Auch Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, ließ die Kritik nicht gelten, der Staat würde beim Kauf der CD mit Verbrechern kooperieren. Die Polizei arbeite täglich mit Kriminellen zusammen, sagte Freiberg. Ohne solche Möglichkeiten könne Verbrechensbekämpfung nicht funktionieren.