Macht sich der deutsche Staat selbst zum "Verbrecher", wenn er die illegal erworbenen Daten kauft?

Über Fragen wie diese streiten auch die Experten. Im dem Präzedenzfall 2008 flossen nach dem Ankauf gestohlener Daten der fürstlichen Vaduzer Bank LGT in Liechtenstein fast 180 Millionen Euro an den deutschen Staat. Damals hatte der Bundesnachrichtendienst Daten für fünf Millionen Euro von einem Dieb angekauft. "Ich rate den deutschen Behörden aber dringend von einem Kauf der illegal erworbenen Daten ab", sagt Henning Ernst Müller, Professor für Strafrecht an der Universität Regensburg. Der Informant mache Geschäfte mit einer Straftat. Und die Regierung zahle dafür, so Müller. Für Professor Arndt Schmehl von der Universität Hamburg gehe es aber auch um die Durchsetzung eines Steueranspruchs des Staates. "Auch wenn der deutsche Staat Daten erhält, die auf rechtswidrigem Weg gesammelt wurden, dürfen die Behörden diesen Hinweisen nachgehen", so Schmehl. "Wichtig ist: Dies muss mit legalen Methoden passieren."

Ist es moralisch richtig, die Daten zu kaufen?

Abseits der juristischen Debatte bleibt die Frage der Gerechtigkeit. "Wer Steuern hinterzieht, begeht ein Vergehen. Wer bewusst Steuern hinterzieht, begeht eine Sünde", sagt der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Andererseits solle der Staat nicht mit zwielichtigen und hehlerischen Personen ins Geschäft kommen. Das seien die beiden Pole, zwischen denen die verantwortlichen Politiker jetzt abwägen müssen, so Jaschke. "Am Ende gilt aber, dass es moralisch nicht in Ordnung ist, mit verbrecherischen Personen zu handeln - nur des Steuergeldes wegen."

Kann der Informant rechtlich belangt werden?

Wer illegal mit Daten handelt, kann strafrechtlich verfolgt werden. Oft wird jedoch mit der Kronzeugenregelung argumentiert, um dem Informanten Straffreiheit zu gewähren. Schließlich habe die Person dem Staat im Kampf gegen Steuersünder geholfen. Doch lasse sich das nicht auf den aktuellen Fall anwenden, so Professor Müller. "Wenn man bei der Verfolgung von Rauschgiftringen einen Kronzeugen hat, der Informationen weitergibt, dann könnte er Straffreiheit bekommen." Hier gehe es aber nicht um einen Steuersünder, der jetzt andere Steuersünder auffliegen lässt und dafür Straffreiheit bekommen will. "Hier wird jemand mit Geld belohnt, der illegal Daten erworben hat", so Müller.

Dennoch: Die Praxis im Fall der Daten aus Liechtenstein zeige, dass die Staatsanwaltschaft nicht die Strafe der Hehlerei verfolgt, argumentiert Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Wenn sich die Finanzämter auf den Handel mit den Daten einlassen, müssen sie von einer Verfolgung der Informanten absehen." Doch geht es überhaupt um Hehlerei? Professor Müller widerspricht: "Bei dem Handel mit Informationen gibt es keine Hehlerei." Denn die Straftat der Hehlerei gelte nur bei Sachen. Der Handel verstoße gegen das Datenschutzgesetz.

Welche Auswirkung hat der Streit auf das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz?

Seit Jahren belastet der Steuerstreit das Verhältnis beider Länder - 2008 verglich der damalige Finanzminister Peer Steinbrück die Schweiz mit dem Wilden Westen. Das Land mache Geschäfte mit Steuerhinterziehern. Schweizer Politiker bezichtigen die deutsche Regierung dagegen der Hehlerei mit illegal erworbenen Daten. "Dieser Vorwurf ist heuchlerisch", sagt Professor Michael Th. Greven vom Institut vor Politikwissenschaft der Universität Hamburg. "Mit der Deckung von Steuerhinterziehern hat sich die Schweiz über die Jahre ins politische Abseits manövriert."

Gibt es ähnliche Fälle im Ausland?

Der Informatiker Hervé Falciani hatte vor drei Jahren den französischen Behörden Tausende Namen von mutmaßlichen Steuersündern in der Schweiz geliefert. Die Informationen hatte Falciani bei der britischen Großbank HSBC abgegriffen. Der französische Fiskus setzte darauf Steuerflüchtlinge unter Druck. 3500 von ihnen nahmen nach Bekanntwerden der Liste das Angebot zur Selbstanzeige an, was fast 700 Millionen Euro an zusätzlichen Steuern einbrachte. Allerdings habe Frankreich nach eigenen Angaben nie etwas für die Kontendaten gezahlt.

Können sich Steuerhinterzieher selbst anzeigen?

Jederzeit. Die Selbstanzeige wirke sich dann auch strafmildernd aus, sagt Schmehl. "Allerdings nur, solange die Behörden selbst noch nichts von den hinterzogenen Steuern wissen." Die Behörde hofft auch, dass die Steuersünder kalte Füße bekommen, falls sie nicht wissen, ob die Finanzämter auch ihre Daten haben.