Es gibt viele Fragen in der Linkspartei: Wird es eine Doppelspitze geben oder nicht? Übernimmt Gregor Gysi den Vorsitz vorübergehend?

Berlin. Früher, zu PDS-Zeiten, hat sich Gregor Gysi mehrfach beknien lassen. Zum Weitermachen, dazu, die Spitzenkandidatur zu übernehmen. Dass die SED-Nachfolgepartei in den Bundestag einziehen und sich dort halten konnte, hat viel mit dem Charisma und den rhetorischen Talenten des Berliners zu tun.

Jetzt ist er der letzte Troikaner. Und an der Basis fragen sich die Genossen, was aus der Linkspartei werden soll, wenn Oskar Lafontaine als Parteichef aufhört und Lothar Bisky nicht mehr weitermachen will. Müsste dann nicht Gysi übernehmen? Zumal in Nordrhein-Westfalen eine wichtige Landtagswahl ansteht?

Andererseits hat der 62-Jährige schon mehrere Herzinfarkte hinter sich. Ein Teil der Partei hofft, dass Gysi bereit sein könnte, den Parteivorsitz zumindest interimistisch zu übernehmen. Andere bringen die Namen von Gesine Lötzsch, Petra Pau und Klaus Ernst ins Spiel. Tatsächlich hat die Linke, die im Sommer 2007 aus der ostdeutschen PDS und der westdeutschen Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) hervorging, nicht viel prominentes Personal für die Übernahme des Parteivorsitzes zu bieten.

+++ DAS JÜNGSTE ABENDBLATT-INTERVIEW MIT SIGMAR GABRIEL +++

Lötzsch ist stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende, Pau Bundestagsvizepräsidentin, der Bayer Ernst ist stellvertretender Parteivorsitzender. Reicht das?

Wird Doppelspitze beibehalten?



Einigen Genossen offenbar nicht. Sofort, nachdem Oskar Lafontaine seinen Rückzug angekündigt hatte, gab es die ersten Forderungen, die nach dem Zusammenschluss von PDS und WASG eingeführte Doppelspitze auch in Zukunft beizubehalten. Bodo Ramelow, Fraktionschef der Thüringer Linken, plädierte gestern sogar dafür, eine "doppelte Quotierung" für die beiden künftigen Parteichefs einzuführen: Damit müssten dann eine Frau und ein Mann aus dem Osten beziehungsweise dem Westen gewählt werden. Dieser Vorschlag stößt allerdings nicht bei allen Parteifreunden auf Zustimmung. Die Linke in Mecklenburg-Vorpommern lehnt eine neue Doppelspitze in der Bundespartei ab. "Gerade wenn man die vermeintlichen Ost-West-Kämpfe beenden will, sollte die Partei von einem oder einer Vorsitzenden geführt werden", sagte Landesparteichef Steffen Bockhahn. Er verwies darauf, dass die Linke ihre Parteisatzung ändern müsste, wenn sie eine Doppelspitze behalten wolle, denn dieser Teil des Fusionsvertrages ende mit dem Bundesparteitag im Mai in Rostock.

Gysi: "Von uns werden Sie dazu keinen Namen hören"

Gregor Gysi will sich bereits heute in Berlin mit den Landesvorsitzenden und Vertretern der Parteispitze treffen, um ein Führungsvakuum zu verhindern. Er sagte am Wochenende allerdings auch: "Von uns werden Sie dazu keinen Namen hören." Sachsens Linke-Fraktionschef André Hahn fordert eine "offene, vor allem aber würdevolle Diskussion" um die neue Parteispitze. Bodo Ramelow rechnet mit "einer superlangen Nacht von Gesprächen", an die sich weitere anschließen würden. "Ich denke", meinte Ramelow gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk, "bis Ende nächster Woche werden wir auch personell die Klarheit haben, wie wir an den Rostocker Parteitag rangehen werden."

Vertreter anderer Parteien äußerten sich skeptisch. Die Linke müsse sich nach Lafontaines Rückzug entscheiden, "ob sie weiter den einfachen Weg in die polternde Fundamentalopposition gehen will oder die Chance ergreift, verantwortlich Politik zu gestalten", sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. Die CSU warnte vor einem Zusammengehen von SPD und Linkspartei. "Viele Genossen träumen nach dem Rückzug Oskar Lafontaines von einer Vereinigung von SPD und Linke", erklärte der Parlamentsgeschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller. Das erinnere an die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED.