Der Streit in der Koalition geht auch im neuen Jahr weiter: Die FDP fordert weitere Steuersenkungen, für die CDU sind das nur “Sprüche“.

Berlin. Kurz vor Beginn ihres traditionellen Dreikönigstreffens in Stuttgart streiten die Liberalen mit ihrem Koalitionspartner Union weiter über den Kurs in der Steuerpolitik. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte dem Magazin "Focus", das deutsche Abgabensystem nehme den Menschen die Luft zum Atmen: "Es hat geradezu enteignungsgleiche Züge." Die politischen Buchhalter, die die Staatsfinanzen in den vergangenen elf Jahren mit immer höheren Steuern und Abgaben hätten sanieren wollen, seien kläglich gescheitert. Westerwelle erklärte, Deutschland brauche jetzt "eine geistig-politische Wende" - "weg von immer stärkerer Abkassiererei bei denjenigen, die den Karren ziehen".

Nachdem die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger bereits am Sonnabend im Abendblatt-Interview auf Umsetzung der vereinbarten Steuersenkungen gepocht hatte, erinnerte auch FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle am Wochenende daran, dass sich die Koalition gemeinsam für eine große Steuerreform entschieden habe. Zugleich rief Brüderle CDU und CSU zu mehr Koalitionsdisziplin auf: "In den Unionsreihen gibt es Stimmen, die manches, was vereinbart wurde, schon wieder quer diskutieren. Besser für den Zuhörer ist es, wenn man die gleiche Melodie singt."

Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte die Liberalen auf, endlich ihren Widerstand gegen eine international abgestimmte Einführung einer Finanztransaktionssteuer aufzugeben. „Auch die Liberalen können sich nicht dem verschließen, dass wir Lehren aus der Finanzkrise ziehen müssen und entsprechende Veränderungen vornehmen“, sagte der CDU-Politiker der „Financial Times Deutschland“.

Wolfgang Bosbach (CDU) verlangte von der FDP, keine Steuerversprechungen zu machen, die nicht zu halten seien. "Sprüche helfen uns nicht weiter", sagte Bosbach dem Abendblatt. Der Start sei ohnehin schon "holprig" genug gewesen. "Wenn wir so weitermachen, wird die Fahrt nicht ruhiger werden." Die FDP erlebe gerade die Konfrontation mit der Wirklichkeit. "Es ist eben ein fundamentaler Unterschied", so Bosbach weiter, "ob man in der Opposition ist und der eigenen Klientel munter Versprechungen machen kann oder ob man in der Regierung sitzt und das Machbare vom Wünschenswerten unterscheiden muss." Bosbach appellierte an die Einsicht der FDP. "Wir sollten keine Versprechungen machen, die wir nicht halten können. Wir sollten uns lieber ein Ziel setzen, das wir erreichen können. Wenn wir die Wirkungen der Kalten Progression zugunsten der Durchschnittsverdiener abmildern, dann haben wir in dieser Wahlperiode schon eine Menge geschafft."

Auch Horst Seehofer warnte davor, den Bürgern überzogene Steuersenkungen zu versprechen. "Wir können den Umfang weiterer Steuersenkungen nicht völlig losgelöst von der künftigen Entwicklung der Steuereinnahmen und der Wirtschaftsentwicklung festlegen", sagte der CSU-Vorsitzende der "Bild am Sonntag". Über den Umfang der Steuerentlastung ab 2011 könne erst im Sommer auf der Grundlage der aktuellen Steuerschätzung entschieden werden.

Obwohl Silvester längst vorbei ist, knallt es in den Reihen der Koalition also kräftig weiter. Zum Teil ist das dem Umstand geschuldet, dass nicht nur die Liberalen ihr Jahrestreffen vor der Brust haben, sondern auch die Christsozialen. Die treffen sich Mittwoch zur dreitägigen Klausur in Wildbad Kreuth. Im Vorfeld solcher Veranstaltungen gehört das Klappern zum Handwerk.

So hat Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) am Wochenende einen schnellen Beschluss zur Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken verlangt. Bayern, das seinen Strom zu zwei Dritteln aus der Kernenergie beziehe, könne mit Verhandlungen und Entscheidungen nicht noch länger warten. Damit ging Söder auf Distanz zur Linie der Bundesregierung, die erst im Oktober im Rahmen eines Gesamtkonzepts entscheiden will. Dass der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl für die CSU einen eigenen Vizekanzler forderte, ging allerdings selbst Horst Seehofer zu weit. Die neue Regierung sei noch keine drei Monate im Amt, rügte der Parteivorsitzende. Schon deswegen sei das "eine Gespensterdiskussion".

Landesgruppenchef Friedrich gab den Schwarzen Peter unterdessen an die Kanzlerin weiter. Er warf Angela Merkel mangelnde Führung vor. Friedrich sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Kanzlerin müsse in der Koalition "entschlossener Linie und Kurs vorgeben".