Der CSU-Politiker über die Förderung norddeutscher Verkehrsprojekte und den Widerstand der Länder gegen Steuersenkungen.

Berlin. Hamburger Abendblatt

Herr Ramsauer, sind Sie auf Entzug?

Peter Ramsauer:

Wie kommen Sie darauf?

Abendblatt:

Als Michael Glos seinerzeit die Leitung der CSU-Landesgruppe aufgeben musste, um ins Bundeskabinett zu wechseln, hat er schwer gelitten. Können Sie das nicht nachfühlen?

Ramsauer:

Im Leben eines Politikers hat alles seine Zeit. Ich hatte diesmal bei der CSU den ersten Zugriff auf einen Kabinettsposten. Da habe ich gespürt: Jetzt ist es so weit.

Abendblatt:

Macht das Regieren denn Freude? Es sind doch alle über Kreuz ...

Ramsauer:

Ich habe die Entscheidung noch keine Sekunde bereut. Das Amt des Verkehrs- und Bauministers macht mir so viel Spaß, dass ich vieles ertrage, was sonst so vor sich geht. Im Übrigen täuscht Ihr Eindruck.

Abendblatt:

Schwarz-Gelb will die Steuern senken und niemand freut sich. Selbst Ministerpräsidenten der CDU rebellieren dagegen ...

Ramsauer:

Doch, die Bürger freuen sich über niedrigere Steuern, und die betroffenen Ministerpräsidenten wissen ganz genau, dass wir jetzt keine Wiederholung der Koalitionsverhandlungen aufführen. Die wurden im Oktober abgeschlossen. Ich habe einen großen Respekt davor, mit welcher Entschlossenheit Bundesfinanzminister Schäuble das Wachstumsbeschleunigungsgesetz aufs Gleis gesetzt hat. Und das wird jetzt auch auf die Reise geschickt.

Abendblatt:

Sie haben dafür keine Mehrheit im Bundesrat.

Ramsauer:

Alle hätten ihre Bedenken auch in die Koalitionsverhandlungen einbringen können. Jetzt sind die Entscheidungen gefallen, und die Beteiligten sollten sich daran halten.

Abendblatt:

Länder wie Schleswig-Holstein können die Steuerausfälle schlicht nicht verkraften.

Ramsauer:

Das ist die Krux der armen Länder. Die Problematik der Altschulden ist gravierend. Aber wir sind bei der zweiten Föderalismusreform diesen Ländern sehr weit entgegengekommen. Mehr ist nicht drin. Wer sich jetzt querstellt, trägt Mitverantwortung dafür, wenn Deutschland in der Wirtschaftskrise stecken bleibt.

Abendblatt:

Was macht Sie so sicher, dass dieses Gesetz tatsächlich das Wachstum beschleunigt?

Ramsauer:

Der Begriff ist schon gerechtfertigt. Die Steuersenkungen, die wir machen, stimulieren die Binnennachfrage und die Investitionskraft.

Abendblatt:

Warum senken Sie ausgerechnet die Mehrwertsteuer für Hoteliers?

Ramsauer:

Ich habe mich in den Koalitionsverhandlungen sehr dafür eingesetzt. Der niedrigere Mehrwertsteuersatz wirkt internationalen Wettbewerbsverzerrungen in der Hotellerie entgegen. Selbst wenn sich die Steuerentlastung nicht positiv auf die Preise auswirken sollte, stärkt sie in jedem Fall die Investitionskraft der Hotelbetriebe.

Abendblatt:

Andere sehen darin bayerische Klientelpolitik.

Ramsauer:

Das trage ich mit Fassung. Und ist falsch.

Abendblatt:

Wollten Sie das Steuersystem nicht vereinfachen?

Ramsauer:

Das bleibt natürlich das Ziel. In der praktischen Umsetzung dürfte der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Beherbergungsbetriebe kein Problem sein.

Abendblatt:

Herr Ramsauer, Sie sind den Deutschen bekannt geworden als Minister, der für den Aufbau West kämpft. Sind Sie zufrieden mit dem ersten Eindruck, den Sie hinterlassen haben?

Ramsauer:

Ich habe immer von einem Nachholbedarf gesprochen. Das ist ein Unterschied. Ich stehe dafür ein, dass die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit bis zum letzten Meter Wasserstraße, Schiene und Autostraße gebaut werden. Das ist alternativlos.

Abendblatt:

Sie rudern zurück?

Ramsauer:

Überhaupt nicht. Ich weise auch jetzt darauf hin, dass wir Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur der alten Bundesländer in den vergangenen 19 Jahren zurückgestellt haben. Das hat dazu geführt, dass zum Beispiel unser Schienennetz den Anforderungen der nächsten 20 Jahre kaum genügt. Und bei den Straßeninvestitionen haben wir einen gewaltigen Nachholbedarf in den alten Ländern.

Abendblatt:

Vor allem in Bayern, nehmen wir an.

Ramsauer:

Das ist eine einseitige Verdächtigung. Am Ende wird noch behauptet, ich wolle die Alpen abtragen, damit man sechsspurig zur Adria fahren kann. Ich bin nicht Minister für Aufbau Süd, sondern Verkehrs- und Bauminister für ganz Deutschland. Wenn wir mit den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit fertig sind, wird nicht mehr nach Himmelsrichtung investiert. Dann orientieren wir uns ausschließlich nach Bedarf - egal ob Nord, Süd, Ost oder West.

Abendblatt:

Was sind die fünf wichtigsten Projekte, die Sie in dieser Wahlperiode fördern wollen?

Ramsauer:

Eigentlich sind alle wichtig. Wenn ich jetzt fünf nenne, melden sich 50 andere und sagen, ich würde das völlig falsch einschätzen.

Abendblatt:

Nur Mut!

Ramsauer:

Zu den wichtigsten Projekten gehört sicherlich der Ausbau der Rheintalbahn von Karlsruhe nach Basel. Die Autobahn 1 von Lübeck bis ins Saarland muss dringend ausgebaut werden. Die Fehmarnbeltquerung ist ein wichtiges Projekt, ebenso die Schienen-Neubaustrecke über die schwäbische Alb mit "Stuttgart 21". Und wenn wir uns nicht nur auf den Verkehr beschränken, gehört das Berliner Stadtschloss ebenfalls dazu. Aber ich könnte Ihnen eine Menge weitere Vorhaben nennen.

Abendblatt:

Auch norddeutsche?

Ramsauer:

Selbstverständlich. Wir müssen die Häfen in Hamburg, Bremen und Wilhelmshaven noch besser mit dem Hinterland verbinden. Dafür ist die Autobahn 22 extrem wichtig, ebenso die Schienenanbindungen. Ich bin froh, dass wir jetzt einen großen Fortschritt erzielt haben: Die 20 Millionen Euro des Bundes für die Planung der Y-Bahntrasse Hannover-Bremen/Hamburg sind frei. Ich bin mit dem Kollegen Schäuble einig, dass wir hier zügig weiterarbeiten müssen.

Abendblatt:

Was ist mit der Elbvertiefung?

Ramsauer:

Ich verstehe die Hamburger und die Bremerhavener, wenn sie sagen: Wir wollen uns von Rotterdam nicht den Rang ablaufen lassen. Mit dem Ausbau von Elbe und Weser verbessern wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Häfen enorm. Dann können die großen Containerschiffe in Hamburg und Bremerhaven unabhängig von den Gezeiten ein- und auslaufen. Um es deutlich zu sagen: Ich unterstütze die Elbvertiefung mit aller Kraft. Eine Bedingung muss natürlich gelten.

Abendblatt:

Die wäre?

Ramsauer:

Die Sicherheit der Deiche muss gewährleistet sein. Das sind wir den Elbanliegern schuldig. Ich bin sicher: Elbvertiefung und Deichsicherheit sind miteinander vereinbar.

Abendblatt:

In Niedersachsen sieht das nicht jeder so.

Ramsauer:

Das ist für mich ein lösbarer Konflikt. Die Sicherung der Deiche ist nicht ganz billig, aber machbar. Die Menschen können sich darauf verlassen: Mit mir wird es da keine Abstriche geben. Auch Niedersachsen muss ein Interesse daran haben, dass wir in Hamburg und Bremen mit den Seehäfen wichtige Jobmotoren haben. Der neue Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven allein wird nicht reichen.

Abendblatt:

Wann kommen die Bagger?

Ramsauer:

Die Planfeststellungsverfahren laufen. Wir können ziemlich sicher damit rechnen, dass wir im kommenden Jahr für die Weser, aber vielleicht auch schon für die Elbe Planfeststellungsbeschlüsse haben werden. Bei der Planung geht Gründlichkeit aber vor Schnelligkeit!

Abendblatt:

Wenn Sie so weitermachen, werden Sie von den Bayern noch als Minister für Aufbau Nord geschmäht ...

Ramsauer:

Viele im Süden meinen tatsächlich, der Ausbau von Elbe und Weser sei nur eine norddeutsche Angelegenheit. Das ist eine fundamentale Fehleinschätzung. Der Erfolg zum Beispiel des Wirtschaftsstandorts Bayern hängt auch von seiner Anbindung an die deutschen Seehäfen ab.