Berlin. Noch nie haben in Deutschland so viele junge Menschen ein Studium begonnen wie in diesem Jahr: Insgesamt schrieben sich 423 400 Frauen und Männer erstmals für ein Studium an einer Hochschule ein. Das sind knapp sieben Prozent mehr als 2008, wie das Statistische Bundesamt meldete. Die Zahl aller Studenten stieg damit auf rund 2,13 Millionen. Das sind fünf Prozent mehr als im Vorjahr.

Der neue Studienanfängerrekord ist vor allem eine Folge der extrem geburtenstarken Abiturjahrgänge, die in den vergangenen Jahren die Schule verlassen haben. Dazu gibt es in einigen Bundesländern Auswirkungen wegen der doppelten Abiturientenjahrgänge nach der Schulzeitverkürzung von neun auf acht Jahre. Erstmals wurden auch rund 10 000 Anfänger an den aufgewerteten baden-württembergischen Berufsakademien mit in der Hochschulstatistik ausgewiesen.

Gleichwohl verzichtet ein erheblicher Anteil junger Menschen auf ein Studium. Verglichen mit dem Anfänger-Rekordjahr 2003 verließen in diesem Jahr zwar rund 22 Prozent mehr junge Menschen mit dem Zeugnis der Hochschulreife ihre Schule. Es schrieben sich aber nur rund zwölf Prozent mehr Studienanfänger ein.

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Margret Wintermantel, warnte unterdessen vor einer Verschärfung der anhaltenden Studentenproteste gegen die verschulten Bachelor- und Masterstudiengänge. "Wir sind besorgt über die in so hohem Maße geäußerte Unzufriedenheit über die Studiensituation", sagte Wintermantel in einer Pressekonferenz in Berlin, die zuvor von etwa 50 Studenten für besetzt erklärt worden war. Wintermantel räumte Defizite in der Umsetzung des sogenannten Bolognaprozesses ein und kündigte weitere Gespräche über Änderungen an. Bereits am Dienstag hatten rund 3000 Studenten in Leipzig bei einer Mitgliederversammlung der HRK protestiert und Wintermantel vorgeworfen, sie vertrete nicht die Interessen der Studierenden im Dauerstreit um Reformen bei den Bachelor- und Masterstudiengängen.

Ähnliche Vorwürfe musste sich die HRK-Präsidentin auch gestern wieder anhören. Zu Beginn der Pressekonferenz riefen Studierende laut Parolen, ein junger Mann sprang auf dem Konferenztisch herum; Wintermantel warf ihnen mangelhafte Umgangsformen vor.

Nachdem sich die Lage beruhigt hatte, erklärte Wintermantel, natürlich gebe es an einigen Stellen Nachbesserungsbedarf. Man benötige dringend mehr "finanzielle Spielräume": "Wir brauchen dringend kleinere Seminare, in denen eine höhere Dialogdichte zwischen Lernenden und Lehrenden entsteht", sagte die 62-jährige Psychologie-Professorin unter dem Beifall der Studenten. Darüber werde sie mit der Kultusministerkonferenz sprechen. Ein Treffen ist für den 10. Dezember geplant.

Wintermantel räumte ein, dass zu Beginn der Umstellung einige Fachbereiche versucht hätten, die gesamten Inhalte von Diplom- und Magisterstudiengängen in den Bachelor "zu pressen". "Da wird und muss nachgebessert werden", sagte sie. Sie verwies darauf, dass es bundesweit 9000 Studienangebote gebe. Bei rund 80 Prozent stimme die Umsetzung. Die Studenten erklärten, an den Universitäten herrschten "haarsträubende Zustände". Die Studiengänge seien so verschult, dass keine Zeit für umfassende Bildung bleibe. "Wir sind die Fachidioten von morgen", hieß es. Bisher seien Deutschlands Studenten nur mit leeren Versprechungen abgespeist worden.

Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) räumte daraufhin ein, dass bei der Stoffdichte, den Prüfungselementen, der Praxisnähe, den Anwesenheitslisten und der Mobilität Nachbesserungen nötig seien.