„Wir wollen mitbestimmen“, fordern die Demonstranten. Studiengebühren schrecken ab, die Unis suchen nach neuen Geldquellen.

Leipzig. Die bundesweiten Proteste der Studenten nehmen jetzt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ins Visier. Zu einer Tagung der Universitätspräsidenten in Leipzig sprachen sie der HRK das Recht ab, sich in der Öffentlichkeit als „Stimme der Hochschulen“ darzustellen.

„Außer den Hochschullehrern hat keine andere Gruppe wie etwa die Studierenden ein Mitbestimmungsrecht“, kritisierte Dorothee Riese von der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften. Christina Schrandt vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren warf der HRK vor, seit 2004 für solche Gebühren einzutreten und damit gegen die Studierenden zu handeln. Dabei schreckten Studiengebühren potenzielle Interessenten von einem Studium ab.

So sei die Zahl der Schulabgänger mit Hochschulzugangsberechtigung zwischen 2003 und 2008 um 20 Prozent gestiegen. Tatsächlich habe die Zahl der Studienanfänger aber lediglich um 2,5 Prozent zugenommen. Auch eine gerade veröffentlichte Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) belege, dass Studienstandorte, an denen keine Gebühren verlangt würden, für Studierende attraktiver seien.

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, hat Mängel bei der Umsetzung des Bologna-Reformprozesses an den deutschen Hochschulen eingeräumt. „Wir haben an einigen Stellen durchaus Probleme in Studiengängen mit zu hoher Stoffdichte und Prüfungsbelastungen“, sagte Wintermantel der „Thüringer Allgemeinen“. Die Hochschulen seien aber dabei, alle ihre Studiengänge zu überprüfen. „Wo wir den Eindruck haben, dass die Arbeitsbelastung zu groß ist, wird der Umfang der Module überprüft und die Anzahl der Prüfungen“, sagte Wintermantel.

Die Studenten verlangten, alle Hochschulgruppen müssten an den Entscheidungen beteiligt sein, die derzeit allein von der Hochschulrektoren-Konferenz gefällt würden. Allerdings räumte Die Studentenaktivistin Dorothee Riese beklagte, dass der „Lobbyverband HRK“ vom Bund mit jährlich 1,6 Millionen Euro gefördert werde. Hinzu kämen Gelder aus den Ländern und den Hochschulen selbst. Das Deutsche Studentenwerk bekomme vom Bund dagegen lediglich 300 000 Euro pro Jahr.

Weiter im Fokus der Kritik der protestierenden Studenten stehen neben den Studiengebühren die Probleme bei der Umsetzung der europäischen Hochschulreform nach dem sogenannten Bologna-Prozess. So seien die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge von oben nach unten durchgesetzt worden, ohne dass die Betroffenen daran beteiligt würden.

Ein Viertel der staatlichen Hochschulen klagt einer Studie zufolge über Geldmangel. Ein Teil dieser Hochschulen sehe sich sogar in ihrer Existenz gefährdet, teilte die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young mit. Das Unternehmen hatte die Kanzler und Vizepräsidenten von 281 Hochschulen in Deutschland befragt.

Unter ihnen wird nach eigener Einschätzung der Wettbewerb um Studierende, Lehrkräfte und finanzielle Mittel immer härter. Deshalb wollten 90 Prozent der Hochschulen in erster Linie ihre Lehre verbessern und 81 Prozent ihr Studienangebot profilieren. Angesichts der knappen öffentlichen Finanzen wollen sich viele Hochschulen eigene Geldquellen erschließen. Gut ein Drittel der staatlichen Hochschulen bemühe sich bereits um Spenden, knapp die Hälfte plane entsprechende Aktivitäten. Höhere Studiengebühren halten die meisten Hochschulen für den falschen Weg.

Niedersachsens Studenten müssen noch mindestens ein Jahr auf verbesserte Bedingungen an den Universitäten warten. „Ich hoffe, dass wir den Studierenden vom kommenden Wintersemester an bessere Bedingungen bieten können“, sagte Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) in der Landtagsdebatte zu den aktuellen Bildungsprotesten. Stratmann sagte, in Niedersachsen sei im Gegensatz zu anderen Bundesländern bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Reform der Bachelor-Studiengänge umzusetzen. Den Beschluss dazu hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) bereits im Oktober auf Initiative Niedersachsens hin getroffen. Um Veränderungen schon zum Sommersemester umsetzen zu können, hätten die Ergebnisse der Arbeitsgruppe bereits Anfang Januar vorliegen müssen. (dpa/HA)