Seine Warnung: Erst im nächsten Jahr trifft die Weltrezession die Deutschen mit voller Wucht.

Hamburg. Mit scharfen Worten hat Altbundeskanzler Helmut Schmidt die Reaktion der Politiker auf die Finanz- und Wirtschaftskrise kritisiert. Es habe "eine nonchalante Ignoranz der Regierungen und Behörden, der politischen Klasse insgesamt" im Umgang mit den frühen Anzeichen der Krise gegeben, sagte Schmidt in einer Rede in Hamburg. Statt rechtzeitig einzugreifen, hätten sich die Politiker allzu lange auf die Illusion von Selbstheilungskräften der Finanzmärkte verlassen. Als Beispiel für den verbreiteten Mangel an Sachkunde nannte der Altkanzler den sogenannten G20-Krisengipfel im November in Washington: Dort habe er, wie Schmidt dem Abendblatt sagte, nur "eineinhalb wirkliche Kenner" identifizieren können: einen "ganzen Steinbrück" (Bundesfinanzminister) und einen "halben Sarkozy" (französischer Staatspräsident). Ohnehin stünden den Deutschen massive Auswirkungen der Finanzkrise erst noch bevor. "Im nächsten Jahr werden sowohl der Sektor der privaten Unternehmen als auch der Wohlfahrtsstaat als auch der öffentliche Sektor von der Weltrezession bedroht", sagte Schmidt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird am Sonntag eine Expertenrunde im Kanzleramt versammeln. "Für eine gezielte Antwort auf die kommende wirtschaftliche Entwicklung brauchen wir eine umfassende und sorgfältige Analyse, zu der ich ausgewählte Experten einladen werde", sagte sie der "Bild"-Zeitung.

Zuvor hatte es ein Trommelfeuer von Vorschlägen für Konjunkturhilfen gegeben. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) bekräftigte in der "Bild am Sonntag" seine Forderung nach Steuersenkungen noch vor der Bundestagswahl, auch SPD-Chef Franz Müntefering verlangte Vorbereitungen für den Fall, dass die bisherigen Beschlüsse nicht reichen. Indes wies Bundesumweltminister Sigmar Gabriel neue Forderungen von CDU-Ministerpräsidenten nach einem Aufweichen der Klimaziele zurück. "Ich bin überzeugt, dass die Ziele der EU nicht zur Disposition gestellt werden", sagte er dem Abendblatt.

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) schob laut "Spiegel" den Zeitpunkt für eine Entscheidung bis Ostern hinaus. Im Streit um Konjunkturpakete in Europa kritisierte er Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. "Jeder Vorschlag, der auf der europäischen Ebene vom EU-Präsidenten oder auch von Frankreich gemacht worden ist, läuft im Zweifelsfall darauf hinaus, dass die Deutschen zahlen", sagte er auf einer "Zeit"-Matinee.