Hamburg. Selbst Experten müssen lange nachdenken, ob es so etwas schon einmal gegeben hat: Der Bundesnachrichtendienst (BND) fingert als Auslandsgeheimdienst in Steuerermittlungen herum. Irakkrieg, Verschleppung von deutschen Terrorverdächtigen durch die CIA, Journalistenbespitzelungen - der Zusammenhang zu diesen Themen hat dem BND in den vergangenen Jahren einen langwierigen parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingehandelt. Verfolgung von Steuersündern wurde bisher noch nicht genannt.

Heute wollen sich die Parlamentarier im geheim tagenden parlamentarischen Kontrollgremium genau über die Rolle des BND informieren lassen. "Es kommt sehr darauf an, wie die Einzelheiten abgelaufen sind", sagte der FDP-Vertreter in dem Gremium Max Stadler dem Abendblatt. Regierungsvertreter lassen bisher jedoch keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

Die originäre Aufgabe des BND ist es, im Ausland Erkenntnisse zu sammeln, die für die Bundesrepublik von sicherheitspolitischer Bedeutung sind. Dabei hat er auch die internationalen Geldwäscheströme im Blick. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass der Geheimdienst in Liechtenstein, als einem der großen Finanzplätze der Welt, Kontakt zu Informanten hat. Eines der wichtigsten Arbeitsfelder des BND ist die Beschaffung von Informationen aus öffentlich zugänglichen, aber auch aus inoffiziellen Quellen. Dazu gehört die "Abschöpfung von Humanquellen", eben Informanten.

Als einer - der Liechtensteiner Erbprinz Alois behauptete gestern, es handele sich um einen Mann, der bereits 2002 des Daten-Diebstahls überführt und mit Gefängnis bestraft wurde - dem BND die DVD mit den Steuersünderdaten anbot, leitete der Geheimdienst diese an die Finanzbehörden weiter. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) bestätigte inzwischen, dass die Finanzverwaltung des Bundes daraufhin den BND um Amtshilfe gebeten habe. Um die DVD zu erlangen, zahlte der BND demnach die geforderten vier bis fünf Millionen Euro "in Vorlage". Alle beteiligten Behörden hätten sich korrekt verhalten, so Steinbrück.

Das Wort Amtshilfe ist dabei entscheidend. "Wie bei allen Straftaten muss die Aufklärung strikt nach rechtsstaatlichen Regeln erfolgen", sagt Stadler. "Dazu gehört, dass der BND nicht in eigener Zuständigkeit Steuerhinterziehung verfolgt, weil dies nicht zu seinen Aufgaben gehört, sondern nur in Amtshilfe handeln darf." Ob dies der Fall war, werde man erst bewerten können, wenn die Regierung alle Einzelheiten vorgetragen habe.

Wenn der BND im Rahmen seiner Arbeit Kenntnisse über Steuerhinterziehung bekomme, sei nichts dagegen einzuwenden, dass der Geheimdienst diese an die zuständigen Behörden weitergebe. Stadler ist es wichtig zu betonen, dass Steuerhinterziehung "streng verfolgt und bestraft werden" muss.

Die gesamte Aktion sei "intensiv im Vorfeld" juristisch geprüft worden, heißt es aus dem Steinbrück-Ministerium. Daran hängt auch die mögliche Verurteilung der mutmaßlichen Steuersünder. Sollten die Beweise, also die DVD des Informanten, widerrechtlich erlangt worden sein, könnte die gesamte Verurteilung kippen. Das wäre eine Güterabwägung der Gerichte.

Zwei Berliner Rechtsanwälte halten den Weg, der von der Bundesregierung gestützt wird, schon jetzt für rechtswidrig. Sie haben Strafanzeige gegen die Bundesregierung und den BND gestellt, weil sie ihnen Untreue und Ausspähen von Daten vorwerfen. Die Regierung sei nicht berechtigt, Geld für eine Straftat zur Verfügung zu stellen, sagte Rechtsanwalt Ferdinand von Schirach.