Hamburg. Im aktuellen Steuerskandal sind vor allem betuchte Deutsche ins Visier der Fahnder geraten. Doch auch die Durchschnittsverdiener schleusen nach Schätzung des Linzer Wirtschaftsprofessors Friedrich Schneider zwölf bis fünfzehn Milliarden Euro pro Jahr am Fiskus vorbei. Insgesamt entgehen dem Staat zwischen 25 und 30 Milliarden Euro. Allein in Hamburg forderte die Stadt für 2007 insgesamt 56 Millionen Euro von kleinen und großen Steuersündern zurück. 370 Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung wurden eingeleitet und 61 Jahre und acht Monate Haft verhängt. Für das Abendblatt erklärt der Hamburger Rechtsanwalt und Steuerberater Frank Stendel, wo das legale Steuersparen aufhört und die Straftat beginnt.


Wann begeht man eine Steuerhinterziehung?

"Jeder Bürger, der in der Steuererklärung falsche Angaben macht, die zu einer niedrigeren Steuer führen, hinterzieht bereits Steuern", sagt Stendel. Auch wer zur Einkommenssteuer veranlagt ist und keine Erklärung abgibt, kann sich strafbar machen. Auch hier gilt: Kriminell ist dies dann, wenn die fehlende Erklärung zu einer niedrigeren Steuerlast führt als tatsächlich vorhanden.



Welche Strafen drohen den Steuersündern?

Steuerhinterziehung ist strafbar nach Paragraf 370 der Abgabenordnung und wird mit Geldstrafe oder Haft bis zu fünf Jahren bestraft, in schweren Fällen bis zu zehn Jahren. Die Höhe der Strafe hängt stark von dem hinterzogenen Betrag ab und schwankt von Bundesland zu Bundesland. In Hamburg wird für 10 000 Euro hinterzogene Steuern eine Strafe von 200 Tagessätzen fällig. Ein Tagessatz wiederum bemisst sich nach dem Tagesnettoeinkommen des Betroffenen. "Als Faustregel lässt sich sagen, dass der hinterzogene Betrag oft noch einmal als Strafe obendrauf kommt", sagt Stendel. Bei einer Million Euro hinterzogener Steuern drohe ein Jahr Gefängnis, wobei die Richter bei Ersttätern meist eine Strafe auf Bewährung verhängten. Wer mehr als zwei Millionen Euro hinterziehe, müsse aber ernsthaft damit rechnen, die dann zweijährige Strafe absitzen zu müssen.



Welche Steuervergehen sind an der Tagesordnung?

Dazu gehört, dass Einnahmen schlicht nicht gemeldet werden oder dass die Steuererklärung einfach zu spät abgegeben wird. Nicht selten stimmen nach Einschätzung des Münsteraner Steuerrechtlers Dieter Birk auch die Bücher von Unternehmen nicht. Darüber hinaus spielt gerade bei Angestellten auch die Zuordnung von Ausgaben zum beruflichen beziehungsweise privaten Bereich eine große Rolle - beispielsweise bei Fachbüchern oder Essenkosten. Auch Pendler machen nach Ansicht von Experten nicht immer ganz korrekte Angaben. "Da werden schon mal fünf Kilometer pro Fahrt zusätzlich angegeben", sagt Steueranwalt Stendel.



Wie sehen die Steuertricks der Reichen aus?

Aus Sicht von Steueranwalt Stendel zählen Stiftungen in Liechtenstein oder auch auf den britischen Kanalinseln zu den häufigsten Tricks, mit denen die Reichen ihr Geld am Fiskus vorbeischleusen. Eine Stiftung wird ins Leben gerufen, eine bestimmte Summe als Stiftungsvermögen eingezahlt und Angehörige als Begünstigte eingesetzt, die dann steuerfrei von möglichen Zinserträgen profitieren.



Sind Geldanlagen in Steuerparadiesen immer illegal?

Keineswegs. "Wenn die Zinserträge aus einer Liechtensteiner Stiftung ordnungsgemäß in Deutschland versteuert werden, ist dagegen nichts einzuwenden", so der Steueranwalt. "Die Erträge dürfen dem deutschen Fiskus nur nicht vorenthalten werden."



Hilft reuigen Steuersündern eine Selbstanzeige?

Paragraf 371 der Abgabenordnung regelt die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung. "Wer unterlassene Angaben nachholt oder falsche berichtigt, wird straffrei." Allerdings kommt es auf den Zeitpunkt an. Wenn der Finanzbeamte schon zur Steuerprüfung erschienen ist oder die Polizei bereits die Wohnung durchsucht, ist es dafür allerdings zu spät.


In der aktuellen Steueraffäre sieht Anwalt Stendel noch gute Chancen für eine Straffreiheit, selbst wenn der Name des Betroffenen auf der Daten-CD auftauchen sollte, die der Bundesnachrichtendienst an die Finanzbehörden weitergeleitet hat. "Der Name allein besagt wenig, die Behörden dürften kaum über Details wie etwa die hinterzogene Summe verfügen." Zudem müsse die Staatsanwaltschaft die Daten auf der CD auch noch mit den jeweils zuständigen Finanzämtern abgleichen. "Das dürfte bislang noch nicht geschehen sein."