Mit der Berufung als Bundesminister erreicht der ehemalige Innensenator der Hansestadt einen weiteren Gipfelpunkt seiner Karriere.

Hamburg. Olaf Scholz ist ein politisches Stehaufmännchen mit erheblichen Nehmerqualitäten. Der Jurist und direkt gewählte Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Hamburg-Altona hat mit seinen gerade einmal 49 Jahren eine erstaunliche Karriere-Achterbahnfahrt hingelegt. Auf rasante Aufstiege, zunächst in der Hamburger, später der Berliner SPD-Hierarchie, folgten ebenso dramatische Abstürze. Mit der Berufung als Arbeitsminister in das Bundeskabinett erreicht der in Osnabrück geborene und in Hamburg aufgewachsene Sozialdemokrat nun einen weiteren Gipfelpunkt seiner Karriere.

Wer Olaf Scholz aus der Nähe beobachtet, dem fallen als Erstes seine stoische Gelassenheit und das sture Festhalten an dem auf, was jeweils als Parteilinie gilt. Ein kritisches Wort von ihm zu einzelnen Parteifreunden oder zur SPD wird man vergeblich suchen. Vor wenigen Wochen, als der Agenda-2010-Streit zwischen Parteichef Kurt Beck und Franz Müntefering immer weiter eskalierte, versuchte Scholz die Sache herunterzuspielen. Die Debatte sei "allzu aufgeregt und das Thema der Aufregung nicht wert". Er rechne mit einem gemeinsamen Vorschlag der beiden, sagte er. Die Geschichte nahm bekanntlich einen anderen Verlauf . . .

Scholz kann, wenn seine öffentliche Rolle es verlangt, Parteisoldat bis hin zur Selbstverleugnung sein. Nachdem der damalige Bundeskanzler und Parteichef Gerhard Schröder seinen Reformkurs in der Arbeitsmarktpolitik im Juni 2003 nur mit Mühen in der SPD durchsetzen konnte, bekam sein getreuer Generalsekretär Olaf Scholz den Zorn der SPD-Basis zu spüren. Mit nur 52,6 Prozent wurde Scholz auf dem Parteitag knapp wiedergewählt. Als Schröder bald darauf den Parteivorsitz niederlegte, trat auch Scholz zurück.

Aus dieser Zeit stammt die wenig schmückende Bezeichnung "Scholzomat", weil Scholz wie aufgedreht und auswendig gelernt auf Journalistenfragen immer gleich und mit fast unbewegter Miene antwortete. Es sind solche wenig originellen Auftritte, die den Blick darauf verstellen, dass Scholz ein gewiefter Taktiker und auf mehreren Feldern wie der Arbeitsmarktpolitik ein ausgewiesener Fachmann ist.

Dass der kluge Kopf ein herausragendes politisches Talent ist, hat Schröder früh erkannt und Scholz in den Kreis derjenigen berufen, die für höchste Ämter geeignet sind. Jetzt hat Scholz die Chance, es zu beweisen.

Dass Olaf Scholz ein homo politicus, ein durch und durch politisch denkender Mensch ist, beweist auch die Ernsthaftigkeit, mit der er seinen Wahlkreis beackert. Und sicher ist es kein Zufall, dass seine Frau Britta Ernst Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete ist. Wie Scholz derzeit noch, ist auch Britta Ernst Parlamentarische Geschäftsführerin.

Das politische Handwerk hat Scholz bei den Jusos gelernt, deren stellvertretender Bundesvorsitzender er in den 80er-Jahren war. Auf Landesebene spielte er erstmals als SPD-Chef von 2000 bis 2004 eine bedeutende Rolle. Vorher hatte er sich einen Ruf als "linker Pragmatiker" erworben, der, weil er kompromissfähig war, auch im Lager der Parteirechten auf Akzeptanz stieß.

2001 war Scholz fünf Monate lang Innensenator. Er ließ sich auf die fast aussichtslose Mission ein, das Ruder für die SPD kurz vor der Bürgerschaftswahl noch zu drehen, und gab dafür sein Bundestagsmandat auf. Trotz eines beeindruckenden Tempos, das er als Senator an den Tag legte, verlor die SPD die Wahl.

2002 zog er wieder direkt in den Bundestag ein. Er sorgte als Hamburger Parteichef dafür, dass sich die nun oppositionelle SPD nicht zerfleischte. Scholz verzichtete darauf, SPD-Bürgermeister-Kandidat zu werden - wegen seiner Berliner Ambitionen, aber auch in der realistischen Einschätzung, für das Amt mit seinen repräsentativen Aufgaben nicht der Richtige zu sein. Nach dem Intermezzo als Innensenator ist die neue Aufgabe nun erst sein zweites exekutives Amt. Der Mann, der so effektiv im Hintergrund zu agieren versteht, muss nun zeigen, ob er doch ein Mann für die erste Reihe ist.