Die Absetzung der Mozart-Oper "Idomeneo" aus Angst vor islamistischen Übergriffen: War das Selbstzensur, die die Freiheit der Rede gefährdet, wie Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sagte? Oder ging es in dem Fall nicht um die Freiheit der Kunst, sondern um den "Respekt vor dem Anderen", wie der Vorsitzende des Islamrats in Deutschland, Ali Kizilkaya, meinte? Eine Abstimmung unter Abendblatt-Lesern im Internetforum ging bis gestern Abend mit 89,9 Prozent zugunsten Neumanns aus. Außerdem ging in dem Forum und in der Redaktion eine Fülle von Leser-Meinungen zu dem Thema ein. Eine Auswahl:

Weitsicht und Respekt

Es wurde nicht Mozart, sondern eine Interpretation von Mozart abgesetzt. Eine Interpretation, welche Mozart so sicher nicht inszeniert hätte, da er doch ein Mensch mit Feingefühl gewesen ist. Der Intendantin der glücklicherweise abgesetzten Inszenierung sei gesagt, dass künstlerische Freiheiten ihre Grenzen dort finden sollten, wo Gefühle von Menschen durch Verhöhnung und makabere Darstellungen religiöser Idole verletzt werden. Wenn die Absetzung mit Sorge vor islamistischen Überreaktionen begründet wird, so mag das zeigen, dass die künstlerische Freiheit nicht grenzenlos sein kann und darf. Der Mut, diese Inszenierung abzusetzen, zeugt von Weitsicht und Respekt vor den Gefühlen anderer. Das gilt für Christen, Muslime und Buddhisten gleichermaßen.

Hilmar Benkmann, Henstedt-Ulzburg

Unverständnis

Ich kann es nicht verstehen, wenn eine Kulturschaffende sich der Intoleranz von Islamisten beugt. Es ist langsam genug, sich immer mehr den Forderungen der Islamisten zu unterwerfen. Wie ist es zu verstehen, dass Massenmörder als Märtyrer bezeichnet werden und Kunst als Glaubensbeleidigung propagiert wird?

Norbert Kahl, per E-Mail

Kluge Provokation

Frau Harms hat eine sehr kluge, provozierende Entscheidung getroffen. Hätte sie die immerhin vom Landeskriminalamt ausgehende Gefahrenwarnung in den Wind geschlagen, wäre sie nach einer möglichen Terroraktion in Bedrängnis geraten. Nachdem so viele maßgebliche Persönlichkeiten ihre Entscheidung als feige und falsch bezeichnen, kann sie die strittige Inszenierung mit dieser Rückenstärkung und ohne Gesichtsverlust wieder in den Spielplan aufnehmen.

Robert Schomacker, Hamburg

Illusorisch

Die Intendantin wäre in der Luft zerrissen worden, hätte sie "Idomeneo" nicht abgesetzt, und es wäre etwas passiert. Ebenso wäre es illusorisch gewesen, echten Schutz von unserer Politik und deren Organen zu erwarten. In der Konsequenz auf solch hilfloses Herumgeeiere wäre eine geschlossene Konvention Deutschlands zum Islam hilfreich.

Manfred Woinitzky, Hamburg

Vertrauensbasis

Wenn ich einem Tier begegne, von dem ich nicht weiß, ob es Tollwut hat, weiche ich ihm aus. Wenn der Senat Hamburg aus Sorge vor fundamentalistischen Übergriffen auf das amerikanische Konsulat vorsichtshalber den Harvestehuder Weg sperrt und sogar eine Sicherheitszone einrichtet, ist das unerfreulich, aber vernünftig. Insofern ist die Absetzung so lange nicht als feige zu bewerten, bis der vernünftige Dialog mit den anderen Religionen eine Vertrauensbasis schafft, die die Freiheit von Meinung, Kunst und Theater verkraftet.

Dr. Stephan Redeker, per E-Mail

Übrig bleibt diese Frage

Wieso ist immer nur von den Muslimen die Rede? Immerhin ist die Opern-Inszenierung für Christen genauso scheußlich, denn es hat erstens keinen Sinn, den Gekreuzigten auch noch zu köpfen, und zweitens hat Jesus Christus ja gerade den Tod überwunden. Diese Form der Christusdarstellung lässt anders als die bloße Mohammed-Verunglimpfung die Furcht vor Konsequenzen ("irgendwie muss dieser Jesus ja totzukriegen sein") erahnen. Übrig bleibt daher von der Inszenierung nur die Frage, ob der Mensch sich ungestraft seines Schöpfers - gleich welcher religiöser Couleur - entledigen darf.

Claus Niemeier, Hamburg

Fehlendes Rückgrat

Haben wir denn kein Rückgrat mehr? Mit unserer erneuten Kapitulation machen wir uns unendlich klein und schwach und stärken dabei den radikal-islamistischen Terrorismus.

G. Schuch, Hamburg

Erkämpfte Freiheit

Die Absetzung eines seit 200 Jahren bestehenden kulturellen Ereignisses verstehe ich als Kapitulation vor dem Wahnsinn des islamischen Terrors und einer Religion, die in Ziel und Lebensart unserer westlichen Welt entgegensteht. Die sich verbreitende Angst vor dieser menschenverachtenden Raserei setzt sich immer mehr in unseren Köpfen fest und durchsetzt unsere Zivilisation, unsere Bildung und unseren Fortschritt. An dieser Stelle hört der Spaß für mich endgültig auf. Bitte lasst nicht zu, dass wir unsere über viele Jahrhunderte erkämpfte geistige Freiheit und unsere Intelligenz einer zornigen, willkürlich agierenden Anarchie unterordnen.

Sabine Langohr, Hamburg

Verantwortung

Freiheit ist die Wahl, etwas zu tun oder auch nicht. Mit steigendem Freiheitsgrad steigt auch die Verantwortung für mich und meine Mitmenschen. Diese Weisheit gilt auch für Künstler. Oder vielleicht gerade für Künstler, da diese in der Öffentlichkeit stehen und zu polarisieren wissen. Es ist mir unverständlich, wie nach den Mohammed-Karikaturen und den Äußerungen des Papstes jetzt, direkt vor der Islam-Konferenz, überhaupt ein Stück mit solchem symbolträchtigen Inhalt inszeniert werden kann.

Sebastian Gräbe, per E-Mail

Irritierend

Auch in der Darstellung der "Kunst" gibt es Grenzen, die nicht zu überschreiten sind. Was soll das Zeigen abgeschlagener Köpfe der Religionsstifter? Gerade zur Zeit des Ramadan in der muslimischen Welt wirkt diese "Zurschaustellung" zumindest irritierend, wenn nicht ablehnend. Für mich geht es nicht um die politische Selbstzensur, sondern um die Ethik. Die Absetzung halte ich für richtig. Hier stößt nicht nur die Kunst an ihre Grenzen. Zeigen wir doch auch Respekt den Muslimen gegenüber und treten auch mit ihnen in einen förderlichen Dialog.

August Bein, per E-Mail

Freie Meinungsäußerung

Ist es jetzt so, dass wir vor jeder freien Meinungsäußerung uns genau überlegen müssen, ob sich wohl jemand mit islamischem Glauben gekränkt fühlen könnte? Wenn ja, dann ist dies ein kleiner, aber wichtiger Sieg auf dem Weg des Islam zur Weltherrschaft.

Reinhold Lehmann, Hamburg

Falsche Schwäche

Radikale Muslime in aller Welt dürften über uns lachen. Mit Schwäche ist noch keine Freiheit verteidigt worden. Wir breiten den roten Teppich aus, wo absoluter Widerstand gefragt wäre.

Matthias Barck (Internetforum)

Gewalttäter ausweisen

Wie hätten die Medien reagiert, wenn ein muslimischer Attentäter 25 Unschuldige bei der Opernaufführung in den Tod gerissen hätte? Alles wäre auf den Prüfstand gekommen. Die Intendantin hätte Schuldzuweisungen erhalten, da die Lageeinschätzung des LKA Berlin leider zutreffend ist. Das Absetzen war im Rahmen unserer bisher herrschenden Meinung richtig. Dennoch ist es falsch. Wir müssen Front machen gegen intolerante Gewalttäter. Sie müssen aus dem Land, statt Kirchenasyl zu erhalten oder von Verwaltungsrichtern milde geduldet zu werden.

Klaus Martens (Internetforum)

Besser als Attentate

Macht es Sinn, ins bushsche oder blairsche Horn zu blasen nach dem Motto "Wir lassen uns nicht verbiegen?" Worin endet diese Haltung? Ich glaube nicht, dass man sich verbogen fühlen muss, wenn man auf eine Inszenierung verzichtet - und wenn doch, bleibt die Frage, zu welchem Preis. Für ein Attentat weniger würde ich den Verzicht eingehen.

Wacki 01 (Internetforum)

Grenzen der Toleranz

Islamisten fühlen sich durch Gleichberechtigung, Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit provoziert. Wer diese Werte aus Feigheit aufgibt, setzt gegenüber den Islamisten ein Zeichen der Schwäche. Es ist keine Erkenntnis, sondern ein Irrglaube anzunehmen, durch übertriebene Toleranz Fanatiker zu besänftigen.

Lars H. (Internetforum)