Die Urteils-Begründung des Bundesverfassungsgerichtes im Wortlaut. Zu Artikel 35 Grundgesetz (GG), wonach Streitkräfte die Polizei unterstützen können: "Die ,Hilfe', von der Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 GG spricht, wird den Ländern gewährt, damit diese die ihnen obliegende Aufgabe der Bewältigung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen wirksam erfüllen können. (...) Die Ausrichtung auf diese Aufgabe im Zuständigkeitsbereich der Gefahrenabwehrbehörden der Länder (...) bestimmt notwendig auch die Art der Hilfsmittel, die beim Einsatz der Streitkräfte zum Zweck der Hilfeleistung verwandt werden dürfen. (...)

Das bedeutet, daß die Streitkräfte (...) zwar die Waffen verwenden dürfen, die das Recht des betreffenden Landes für dessen Polizeikräfte vorsieht. Militärische Kampfmittel, beispielsweise die Bordwaffen eines Kampfflugzeugs (...) dürfen dagegen nicht zum Einsatz gebracht werden."

Zum Recht auf Leben (Artikel 2) und zur Menschenwürdegarantie (Artikel 1): "Das menschliche Leben ist die vitale Basis der Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert. (...)

Die Ausweglosigkeit und Unentrinnbarkeit, welche die Lage der als Opfer betroffenen Flugzeuginsassen kennzeichnen, bestehen auch gegenüber denen, die den Abschuß des Luftfahrzeugs anordnen und durchführen. Flugzeugbesatzung und -passagiere können diesem Handeln des Staates (...) nicht ausweichen, sondern sind ihm wehr- und hilflos ausgeliefert (...).

Eine solche Behandlung mißachtet die Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten. Sie werden dadurch, daß ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt. (...)

Auch die Einschätzung, diejenigen, die sich als Unbeteiligte an Bord eines Luftfahrzeugs aufhalten, das (...) gegen das Leben anderer Menschen eingesetzt werden soll, seien ohnehin dem Tode geweiht, vermag der mit einer Einsatzmaßnahme nach dieser Vorschrift im Regelfall verbundenen Tötung unschuldiger Menschen in einer für sie ausweglosen Lage nicht den Charakter eines Verstoßes gegen den Würdeanspruch dieser Menschen zu nehmen."