Erst in vier bis sechs Wochen werden genaue Ergebnisse der Ermittlungen vorliegen.

Berlin. Die Zettel hingen überall. Unten im Ort, oben auf der Riesneralm, an allen Liften. "Zeugen gesucht. Die Polizei Liezen sucht Zeugen zum Skiunfall am 1.1. um 14.45 Uhr - Einmündung 'Sonnige' - 'Panoramaabfahrt'. Hinweise unter 059 1336340." Die Frage, warum sich der einzige Augenzeuge trotzdem erst zwei Tage nach dem tödlichen Unglück bei der Polizei gemeldet hat - also am Sonnabend - blieb gestern unbeantwortet. In der Erklärung, die der Sprecher der Staatsanwaltschaft Leoben gestern abgab, hieß es kurz, der Zeuge könne zum eigentlichen Unfall keine Angaben machen, er habe "nur" gesehen, wie Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) und Beata C. nach dem Aufprall "weggeschleudert" worden seien. Dennoch sei diese Aussage für die Ermittler sehr wichtig, so Walter Plöbst. Plöbst bestätigte, dass Beata C. an den Folgen einer massiven Schädelverletzung gestorben ist. Zum Unfallhergang wollte er sich nicht äußern. Mit den Gutachten, die den Unfallhergang und die Schuldfrage klären sollen, sei in vier bis sechs Wochen zu rechnen, so der Staatsanwalt.

Da sich Dieter Althaus selbst (noch) nicht an den Unfall erinnern kann, wie die Ärzte der Unfallklinik Schwarzach bekannt gaben, und da der 50-Jährige zudem auch als noch nicht vernehmungsfähig gilt, hat ein großes Rätselraten eingesetzt.

Erwiesen ist, dass Althaus die rote Abfahrt gewählt hatte, und dass Beata C. auf der leichten blauen Piste unterwegs war. Beide Strecken passieren ein kleines Plateau, sind dort aber durch ein breites Sicherheitsnetz voneinander getrennt. Ein Zusammenstoß auf dem Plateau wäre logisch gewesen - dass sich die Kollision hinter dem Netz, also auf der blauen Piste ereignete, macht die Ermittlungen schwierig. Niemals zuvor, sagen die Einheimischen, habe es an dieser Stelle einen solchen Zusammenstoß gegeben. Ist es möglich, dass ein so erfahrener Skiläufer wie Althaus trotz bester Sichtverhältnisse von seiner Piste abkommen und das Sicherheitsnetz links passieren konnte? "Ja", hat Siegmund Schnabl, der Leiter der zuständigen Alpinpolizei, laut "Bild"-Zeitung gesagt, "da geht's bergauf. Um ins Tal zu gelangen, hätte er in die andere Richtung - nach rechts - fahren müssen." War Althaus in diesen über Leben und Tod entscheidenden Sekunden eine Art Geisterfahrer? Oder ist er, wie man das als Skiläufer ab und zu macht, absichtlich abgeschwungen, um zu pausieren oder auf jemanden zu warten? Zum Beispiel auf seine Sicherheitsleute, die hinter ihm waren? Frau und Kinder waren ja schon unten, um zu packen.

"Wir wissen nicht, wie die Fahrlinie war", hat Staatsanwalt Plöbst gestern erklärt. Jenseits der Aussage des überraschend aufgetauchten Zeugen werden die Gutachter versuchen, die Fahrwege von Dieter Althaus und Beata C. und ihren genauen Kollisionspunkt zu bestimmen. Eine Sachverständige wurde zudem beauftragt, nicht nur die Ausrüstung der beiden Unfallbeteiligten, sondern auch ihre Blutproben zu untersuchen. "Chemisch-toxikologisch", wie das in der Amtssprache heißt, was sich auf einen möglichen Alkoholgehalt beziehungsweise Drogenrückstände bezieht. Das ist allerdings Teil der üblichen Untersuchungsroutine.

Auch gestern hat man die Nachricht vom Tod der 41-jährigen Slowakin von Althaus ferngehalten. Er habe auch nicht nach ihr gefragt, "und darüber bin ich sehr froh", berichtete Thüringens Bauminister Gerd Wucherpfennig, der den Ministerpräsidenten in der Klinik besuchen durfte. Inzwischen gibt es offenbar Überlegungen, Althaus nach Jena oder Erfurt zu verlegen.